Training
30.03.2021
Was zählt beim Bodyweight-Training?
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Durch Corona im Trend
Seit Beginn der Corona-Pandemie gewinnen Fitnesstrends wie „Bodyweight-Training“, „Functional Training“ oder „Calisthenics“ immer mehr Fitnessbegeisterte für sich. Aber ist das Training mit dem eigenen Körpergewicht tatsächlich eine Alternative zum herkömmlichen Gerätetraining in den Studios und Praxen? Personaltrainer Marcel Doll erklärt, worauf es bei Übungen mit dem eigenen Körpergewicht ankommt und verdeutlicht diese Bewegungsform anhand eines beispielhaften Trainingsplans.
Die enorme Nachfrage nach Online-Trainingsangeboten, ein starker Abverkauf an Büchern rund um das Thema „Training ohne Geräte“ oder die teilweise ausverkauften Trainingsgeräte für zu Hause bestätigen, dass die Trainierenden nach Möglichkeiten such(t)en, um weiterhin etwas für ihre Fitness zu tun.
Dabei ist das Widerstandstraining mit dem eigenen Körpergewicht als Ursprung des heutigen Krafttrainings anzusehen. Immerhin trainierten bereits die alten Griechen für die Olympischen Spiele nur mit Hilfe ihres eigenen Körpergewichts. Zudem, waren es nicht die Spartaner, die mit ihrem Training ein Sinnbild für unermüdliche Kraft noch bis heute repräsentieren? – Zweifelslos!
Die Unterschiede zum Training am Gerät
Werfen wir einen genaueren Blick auf das Training mit dem eigenen Körpergewicht, um dieses besser einordnen und bewerten zu können. Das Training mit dem eigenen Körpergewicht findet – genau wie unsere alltäglichen Bewegungen – im dreidimensionalen Raum statt. Um beispielsweise beim Treppensteigen nicht das Gleichgewicht zu verlieren, braucht es ein intelligentes Zusammenspiel der Muskulatur.
Hier besteht bereits ein großer Unterschied zum gerätegestützten Krafttraining. Wie die Bezeichnung „gerätegestützt“ schon assoziiert, wird der Trainierende beim Krafttraining vom Gerät in seinem Bewegungsablauf geführt. Im Gegensatz dazu muss der Trainierende beim Bodyweight-Training durch ein intelligentes Zusammenspiel der einzelnen Muskeln stets die nötige Stabilisation selbst gewährleisten. Diese einzelnen aktivierten Muskeln funktionieren dann als Muskelkette.
Größeres Fehlerrisiko
Das Trainieren in Muskelketten fördert und optimiert somit die intermuskuläre Koordination enorm und gewährleistet so eine ständige Kommunikation zwischen den aktiv arbeitenden Muskeln und den stabilisierenden Muskeln. Beim Bodyweight-Training besteht somit eine hohe neuromuskuläre Herausforderung. Diese Bewegungsfreiheit im Training bringt jedoch auch ein größeres Fehlerrisiko mit sich. Geführte Bewegungen am Gerät sind unter dieser Betrachtungsweise sicherer.
Was bedeutet dies für den Trainierenden, aber auch für den betreuenden Trainer? Eine saubere Bewegungsausführung erfordert beim Training mit dem eigenen Körpergewicht grundsätzlich eine gute Körperwahrnehmung von Seiten des Trainierenden, insbesondere wenn dies ohne persönliche Anleitung durch einen Trainer umgesetzt wird. Ein freies funktionelles Training mit dem eigenen Körpergewicht oder mit Kleingeräten bedeutet für den Trainer einen höheren Betreuungsaufwand. Die funktionelle Überlegenheit und der daraus resultierende bessere Transfer des Trainings in den Alltag und sportspezifischen Anforderungen sollten jedoch Grund genug sein, dem Kunden solch ein Betreuungsniveau zu bieten.
Isoliertes Training vs. Übungsmodifikation
Die Begrifflichkeiten Bodyweight-Training und Progression wollen für viele geräteerfahrene Kraftsportler nicht recht zusammenpassen. Denn was beim Krafttraining an Geräten durch einfaches Gewichtaufladen einen überschwelligen Reiz auslöst, muss beim Bodyweight-Training mit Übungsmodifikationen erzielt werden. Eine Belastungsvariation kann beispielsweise bei einer einfachen Kniebeuge durch integrierte Sprünge, statisches Halten oder den Einsatz eines instabilen Untergrunds erreicht werden. Letzteres wirkt als äußerlicher Störeinfluss und muss, zum Erhalt der motorischen Kontrolle, korrigiert werden. Dies geschieht durch das Aktivieren der tiefliegenden Muskulatur und schult somit auch die propriozeptiven Fähigkeiten.
Das gerätegestützte Training spielt dagegen seine Stärken aus, wenn es um das kontrollierte und isolierte Training einzelner Muskeln bzw. Muskelgruppen geht. Das Leistungslevel des Trainierenden stellt aber per se kein Ausschlusskriterium für das Training mit dem eigenen Körpergewicht dar. Sowohl der Trainingseinsteiger als auch der fortgeschrittene Athlet kann mit der richtigen Übungsmodifikation und mit Zuhilfenahme von diversen Trainingstools (Schlingentrainer, Hanteln, Gummibänder etc.) aus dem Bodyweight-Training sein persönliches Trainingsziel realisieren.
Wichtig: Routine & Variation
Ganz gleich welche Trainingsform – das Erreichen des persönlichen Trainingsziels erfordert natürlich eine gewisse Trainingsroutine. Je nach Zielsetzung und Trainingsniveau sind zwei bis fünf Trainingseinheiten pro Woche zu empfehlen. Die Trainingsdauer kann zwischen 15 und 60 Minuten beim Bodyweight-Training variieren. So können kurze Tabata-Einheiten schon sehr intensiv, aber auch effektiv sein. Neben der Auswahl der Übungen kann der Trainingsmodus (Satztraining, Zirkeltraining, Tabata) ausschlaggebend dafür sein, wie hoch die Anforderungen an das Herz-Kreislauf-System innerhalb einer Trainingseinheit sind.
Generell ist Variation der Schlüssel für den angestrebten Trainingserfolg, nicht nur auf muskulärer Ebene, sondern auch auf mentaler Ebene. Denn nicht nur unsere Muskeln können leicht der Trainingsmonotonie zum Opfer fallen, auch unsere Motivation kann schnell verloren gehen. Sowohl für das Bodyweight als auch das gerätegestützte Training kann dies durch neue Übungen, eine höhere Intensität, eine andere Wiederholungszahl, kürzere Pausenzeiten, unterschiedliche Satzzahlen und Übungszahlen erreicht werden. So kommt garantiert keine Trainingslangeweile auf.
Mehr hybride Lösungen?
Bereits jetzt bieten viele Studios Bereiche für funktionelles Training an und nicht wenige Mitglieder kombinieren diese gern mit Gerätetraining. Mit Blick in die Zukunft sehe ich viele Perspektiven und Möglichkeiten für das Bodyweight-Training, sowohl für den Sportler zu Hause, für die gesamte Fitnessbranche als auch in der Therapie. Es bleibt sicherlich spannend, welche Entwicklungen Corona in diesem Bereich angestoßen hat, die auch längerfristige Auswirkungen auf die Fitness- und Gesundheitsbranche haben werden.
Welchen Stellenwert reine Online-Trainingsangebote aber auch hybride Lösungen – die Verknüpfung zwischen offline und online – zukünftig haben werden, wird sich in absehbarer Zeit zeigen.
Marcel Doll
Bildnachweis: Nils Schwarz
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