Digitalisierung

Digitalisierung

Digitalisierung


15.05.2025

Krafttraining nach Knietraumen und -operationen im Fitness-Studio

Krafttraining nach Knietraumen und -operationen im Fitness-Studio

Teil 2: Belastungsnormative für am Kniegelenk geschädigte Teilnehmer

Intensität, Belastungsdauer, Trainingsfrequenz & Co. – diese Parameter haben Relevanz für gesunde Trainierende ebenso wie für Rehateilnehmer. Prof. Dr. Jürgen Freiwald bespricht in diesem Artikel die Belastungsnormative, die über die üblichen Trainingsnormative hinausgehen und die für das differenzierte Krafttraining Personen nach Knietraumen von Bedeutung sind.

Trainingsmittel

Die Wahl der Trainingsmittel nach Knietraumen ist neben den individuellen Voraussetzungen von der Schädigung sowie der posttraumatischen Belastbarkeit abhängig. Vor der Festlegung der Trainingsinhalte und der Trainingsmittel muss die Frage beantwortet werden, ob (dauerhafte) Einschränkungen bestehen, da verschiedene Krafttrainingsmittel zu unterschiedlichen (biomechanischen) Belastungen führen und somit sorgfältig ausgewählt werden müssen.

Übungsauswahl

Wichtig ist die an die Knieschädigung angepasste Übungsauswahl. Die Übungsauswahl sollte sich sowohl an den individuellen Trainingszielen als auch der (dauerhaften?) Knieschädigung orientieren und die Vorgaben der Medizin, der Physiotherapie und ggf. der Rahmentrainingspläne nach Knietraumen berücksichtigt werden. Zu Beginn des Krafttrainings nach Knietraumen ist die Übungsauswahl gering zu halten um bei potentiell negativen Folgereaktionen (z.B. Gelenkschmerzen, überwärmte Gelenke, Schwellungen und Gelenkergüsse) die negativen Trainingsinhalte (Übungsauswahl) zu identifizieren und künftig zu vermeiden bzw. anzupassen.

Übungsfolge

Die Übungsfolge beim Krafttraining nach Knietraumen wird anhand der individuellen Zielsetzung und Belastbarkeit festgelegt.

Kriterien für den Abbruch der Belastung

Beim Krafttraining nach Knietraumen muss verstärkt auf die korrekte Bewegungstechnik geachtet werden und ob die Trainierenden bei bestimmten Übungen Schmerzen erwarten oder konkret haben (Erhebung über VAS-Skalen). Alle Krafttrainingsmaßnahmen (Planung und konkrete Durchführung) sowie alle Abbruchgründe müssen schriftlich festgehalten werden; darüber hinaus alle Begleitwahrnehmungen, da sie oft wertvolle Hinweise für die künftige Trainingsplanung geben (Schmerz, Angst, Unsicherheit).

Zu Beginn des Krafttrainings nach Knietraumen ist ein Training bis zum Punkt des momentanen Muskelversagen (PMF) aufgrund der hohen biomechanischen Belastung sowie des potentiellen Verlusts der Bewegungstechnik nicht zu empfehlen.

Intensität der Krafttrainingsreize

Trainer sollten bei verletzten Sportlern aufgrund von potentiellen Schmerzen und dem Risiko weiterer Verletzungen bzw. Schädigungen nach Knietraumen die Maximalkraft nicht durch eine einzige, maximale Wiederholung messen. Erst wenn die Belastbarkeit sicher - gestellt ist, kann eine solche Messung – wenn überhaupt – nur mit äußerster Vorsicht durchgeführt werden.

Anzahl der Krafttrainingsreize

Nach Knietraumen und bei Schädigungen sollte die Anzahl der Trainingsreize zunächst nur schrittweise erhöht werden. Während und nach dem Krafttraining ist auf mögliche Folgereaktionen wie Gelenkschmerzen, überwärmte Gelenke (Hyperthermie), Schwellungen und Gelenkergüsse zu achten.

Belastungsdauer – Einzelne Kontraktionen

Die Zeit unter neuro-muskulärer Spannung für einzelne Kontraktionen sollte nach Knietraumen immer mit den Trainingszielen und den Belastungsreaktionen nach dem Krafttraining abgeglichen werden (Gelenkschmerzen, Hyperthermie, Schwellung, Gelenkerguss). Da nach Knietraumen die Intensität der Krafttrainingsreize aus Gründen der vorsichtigen Dosierung und Belastung im Allgemeinen geringer gewählt wird, sollte - je nach Trainingszielsetzungen - die Anzahl der Wiederholungen (tendenziell) erhöht werden.

Dauer der Muskelaktivierung (Time under Tension; TUT)

Aufgrund der nach einem Knietrauma geringeren Aktivierbarkeit der Muskulatur (insbesondere der Kniestrecker) sollte über einige Wochen eine höhere Anzahl von Krafttrainingsreizen mit geringerer Intensität angestrebt werden.

Anzahl der Sätze

Nach Knietraumen sollte die Anzahl der Sätze nur schrittweise erhöht werden, wobei negative Reaktionen wie ausgeprägten Muskelkater, Gelenkschmerzen, Hyperthermie, Schwellungen und Gelenkergüsse zu vermeiden. Alle positiven und negativen Reaktionen sind zu protokollieren.

Art der Muskelaktionsformen (MA)

Nach Knietraumen ist es von besonderer Bedeutung, den Wechsel zwischen konzentrischer und exzentrischer Muskelarbeit sowie der Bewegungsumkehr zu üben bzw. zu trainieren, ebenso ist die Wiederherstellung bzw. die Optimierung der neuromuskulären Bewegungskontrolle während exzentrischen MA (z.B. beim Rückführen von Gewichten) von größter Bedeutung. Isokinetische Muskelaktionen werden des Öfteren mit speziellen Geräten erhoben und liefern wichtige Informationen zum Status der Rehabilitation (z.B. Seitenvergleiche zwischen gesunder und geschädigter Extremität).

Kraftanstiegsrate (Rate of Force Development – RFD; Beschleunigung)

Die Kraftanstiegsrate (Beschleunigung von Massen/ Gewichten) steht in direktem Verhältnis zur (verstärkten) mechanischen Belastung von Muskeln, Sehnen und Knorpeln. Der Vorteil von Kraftübungen mit niedriger Intensität, langsamem Tempo und geringem Gewicht ist die geringere mechanische Belastung des heilenden Gewebes, daher sollte zu Beginn des Krafttrainings nach/mit Knieschäden die Beschleunigung des Widerstands (Kraftanstiegsrate) gering gehalten werden.

Der Nachteil langsamer Bewegungen mit geringem Kraftanstieg ist die primäre Aktivierung der vorwiegend langsam zuckenden Fasern (ST, FTA) bei geringer Frequentierung seitens des Nervensystems und eine Ab - nahme der Explosivität (RFD). Da die Muskulatur vom ZNS angesteuert wird, es kann sinnvoll sein, die nicht betroffene Extremität explosiv zu trainieren und Transfereffekte zu generieren (Appleby et al., 2019; Magdi et al., 2021). Nichtdestotrotz können nach Knietraumen auch nach langer Zeit (Wochen, Monate, Jahre) noch immer geringere Explosiv- und Maximalkraftwerte verbleiben (Freiwald et al., 2020; J Freiwald et al., 2023).

Bewegungsgeschwindigkeit

Um eine hohe Bewegungsgeschwindigkeit zu erreichen, müssen die Beschleunigungen (Start-, Umkehr- und Endpunkte) und damit die mechanischen Gelenkbelastungen erhöht werden, was bei der Trainingsplanung nach Knietraumen berücksichtigt werden muss.

Umkehrpunkte der Bewegung

Zu Beginn des Krafttrainings nach Knietraumen sollten aufgrund der mechanischen Belastungen die Umkehrbewegungen langsam verharrend gewählt werden und erst bei gegebener Belastbarkeit zunehmend dynamischere Umkehrbewegungen.

Bewegungsumfang (Range of Motion = ROM)

Beschädigte oder gering belastbare Gelenkbereiche können durch das Auslassen bestimmter Gelenkwinkel durch Bewegungsbegrenzer am Gerät geschont/geschützt werden. Die Nutzung des gesamten ROM bei Kraftübungen kann auch nach Knietraumen die Gelenkbeweglichkeit erhöhen, jedoch müssen dabei die medizinischen Vorgaben (falls vorhanden) beachtet werden.

Satzpausen

Die Dauer der Ruhepausen zwischen den Sätzen beim Krafttraining hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. von der aktuellen Belastbarkeit, dem Trainingszustand und den Trainingszielen. Bei der Arbeit mit orthopädischen Patienten müssen die Erholungszeiten aufgrund des Heilungsprozesses und der Anpassung an das Krafttraining länger dauern.

Trainingshäufigkeit – Erholungszeiten zwischen den Trainingseinheiten

Beim Krafttraining nach Knietraumen muss die Trainingshäufigkeit an die aktuelle Belastungsfähigkeit der Patienten angepasst werden. Trainingsreize sowie (leistungssteigernde) Heilungsprozesse verlaufen parallel und es ist schwierig, die Trainings- und Heilungsprozesse zu differenzieren. Eigene Untersuchungen zeigen, dass mit Patienten nach operativen Eingriffen meist zu häufig trainiert wird, da die Erholungszeiten zwischen den Trainingseinheiten – insbesondere bei älteren sowie untrainierten Patienten – nach Knietraumen verlängert sind (J. Freiwald et al., 2023; J Freiwald et al., 2023; Gebhardt, 2009).

Jürgen Freiwald


Autor

Prof. Dr. Jürgen Freiwald M.A. em. ist seit vielen Jahren an der Bergischen Universität Wuppertal im Arbeitsbereich Bewegungs- und Trainingswissenschaft tätig.


Literatur

Appleby, B. B., Cormack, S. J., & Newton, R. U. (2019). Specificity and Transfer of Lower-Body Strength: Influence of Bilateral or Unilateral Lower-Body Resistance Training. J Strength Cond Res, 33(2), 318-326. https://doi.org/10.1519/JSC.0000000000002923

Boutellier, U. (2010). Sport- und Arbeitsphysiologie. In R. F. Schmidt, F. Lang, & M. Heckmann (Eds.), Physiologie des Menschen (31 ed., pp. 854-876). Springer-Verlag.

Freiwald, J. (2021). Gutachten - Funktionsstemme ArthroExcentricTM 826 [Gutachten].

Freiwald, J., & Greiwing, A. (2016). Optimales Krafttraining. Sport - Prävention - Rehabilitation (1 ed.). Spitta.

Freiwald, J., Hoppe, M. W., Javanmardi, S., Hotfiel, T., Engelhardt, M., Grim, C., & Baumgart, C. (2020). Strength training – future directions and misconceptions in rehabilitation after knee injuries (Part 1) [Review]. Sports Ortho Traumatol, 36(3), 248-257. https://doi.org/org/10.1016/j.orthtr.2020.07.008

Freiwald, J., Hoppe, M. W., Javanmardi, S., Hotfiel, T., Engelhardt, M., Grim, C., & Baumgart, C. (2023). Monitoring of training and therapy in rehabilitation after patella luxation – A case study. Sports Orthopaedics and Traumatology, 39(1), 28-38. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/j.orthtr.2023.02.001

Freiwald, J., Javanmardi, S., Hotfiel, T., Engelhardt, M., Rappelt, L., & Baumgart, C. (2023). Fundamentals of individual loading for strength training after knee injuries [Review]. Sports Ortho Traumatol, 39(4), 368-377. https://doi.org/doi.org/10.1016/j.orthtr.2023.10.008

Gebhardt, J. (2009). Rehabilitation nach Hüftendoprothetik [Dissertation, Bergische Universität Wuppertal]. Wuppertal.

Kenney, W. L., Wilmore, J. H., & Costill, D. L. (2022). Physiology of Sport and Exercise (8 ed.). Human Kinetics.

Knney, W. L., Wilmore, J. H., Costill, D. L., & Wilmore, J. H. (2012). Physiology of sport and exercise (5th ed.). Human Kinetics.

Krustrup, P., Mohr, M., Steensberg, A., Bencke, J., Kjaer, M., & Bangsbo, J. (2006). Muscle and blood metabolites during a soccer game: implications for sprint performance. Medicine and science in sports and exercise, 38(6), 1165-1174. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&dopt=Citation&list_uids=16775559

http://ovidsp.tx.ovid.com/ovftpdfs/FPDDNCIBADBHIC00/fs046/ovft/live/gv023/00005768/00005768-200606000-00020.pdf

Magdi, H. R., Maroto-Izquierdo, S., & de Paz, J. A. (2021). Ipsilateral Lower-to-Upper Limb Cross-Transfer Effect on Muscle Strength, Mechanical Power, and Lean Tissue Mass after Accentuated Eccentric Loading. Medicina (Kaunas), 57(5). https://doi.org/10.3390/medicina57050445

Oliveira, F. B., Oliveira, A. S., Rizatto, G. F., & Denadai, B. S. (2013). Resistance training for explosive and maximal strength: effects on early and late rate of force development. Journal of sports science & medicine, 12(3), 402-408. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24149144

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3772581/pdf/jssm-12-402.pdf

Seil, R., Nührenbörger, C., & Tischer, T. (2022). Prävention. In M. Engelhardt (Ed.), Sportverletzungen - Diagnose, Management und Begleitmaßnahmen (4 ed., pp. 59–66). Elsevier.

 


‹ Zurück

© TT-Digi 2025