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04.03.2021

EMS als Teil eines ganzheitlichen Konzepts

EMS als Teil eines ganzheitlichen Konzepts

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Untersuchung zu Auswirkungen von EMS-Training auf Senioren

Kann EMS-Training auch eine Alternative für Senioren sein? Florian Weiß von der Deutschen Berufsakademie Sport und Gesundheit (dba) in Baunatal ist dieser Frage in seiner Bachelorarbeit nachgegangen. Seine Untersuchung brachte positive Ergebnisse für die praktische Umsetzung dieses Ansatzes in einem Gesundheitszentrum.

TT-DIGI: Herr Weiß, wie sind Sie auf die Idee gekommen das EMS-Training in Ihr Gesundheitszentrum zu integrieren?

Florian Weiß: Im Rahmen meines Studiums bin ich das erste Mal mit dem Thema EMS-Training in Kontakt gekommen. Nachdem ich mich mit der Trainingsform weiter auseinandergesetzt habe, war schnell klar, dass sie das Portfolio unserer gesundheitsorientierten Dienstleistung sehr gut ergänzen würde. Jedoch wollte ich mich von der Funktionalität und Wirkung des Trainings selbst überzeugen und meine persönlichen Erfahrungen in dieser Hinsicht machen. In diesem Zuge habe ich in meiner Bachelorarbeit eine Untersuchung hinsichtlich der Trainingswirkung durchgeführt.

TT-DIGI: Was haben Sie dann im Rahmen ihrer Bachelorarbeit genau untersucht?

Florian Weiß: Ziel der Untersuchung sollte es sein, die Wirkung des EMS-Trainings auf die Bein- und Rumpfkraft bei älter werdenden Menschen zu untersuchen. Im Endeffekt wurde die Untersuchung mit einer im Durchschnitt 60-jährigen Kohorte über einen Zeitraum von sechs Wochen mit einer Trainingseinheit pro Woche durchgeführt.

TT-DIGI: Wie haben die Senioren trainiert?

Florian Weiß: Ich habe mich für ein klassisches Kräftigungsprogramm entschieden. Bei der ersten Einheit gab es eine Einleitung und die Grundimpulse wurden eingestellt. Pro Woche gab es dann eine 20-minütige Einheit mit mehrgelenkigen Ganzkörperübungen. Die Übungen waren statisch bis leicht dynamisch wie beispielsweise bei einer Kniebeuge. Das einzige Hilfsmittel war ein Besenstil.

TT-DIGI: Wie war das Feedback der Teilnehmer und welche Ergebnisse gab es?

Florian Weiß: Das Training wurden von der gewählten Zielgruppe äußerst positiv angenommen. Das hoch individuelle Training unter einer professionellen Betreuung stand beim Feedback der Teilnehmer an erster Stelle. Die Durchführung im im Format 1:1 ermöglichte es, individuell auf die Beschwerden und Wünsche des Trainierenden einzugehen.

Das gesundheitsorientierte und individuelle Muskeltraining hat bei allen Probandinnen und Probanden zu einer hohen Begeisterung und Eigenmotivation geführt, sodass keine Trainingseinheit verpasst oder abgesagt wurde. Die durchweg positiven Trainingserfahrungen der Teilnehmer sprechen für den großen Nutzen des durchgeführten Trainings.

TT-DIGI: Was spricht aus Ihrer Sicht für eine Umsetzung des EMS-Trainings bei älter werdenden Menschen?

Florian Weiß: In meinen Augen spricht für die Umsetzung bei älter werdenden Menschen die Tatsache, dass das EMS-Training gelenkschonend durchgeführt werden kann ohne den Haltungsapparat zusätzlich belasten zu müssen. Menschen, die aufgrund von orthopädischen oder kardiologischen Erkrankungen nur beschränkt belastbar sind, haben mit dem EMS-Training eine effektive Alternative zur Hand. Des Weiteren wird während einer Trainingseinheit der gesamte Körper trainiert und alle großen Muskelgruppen werden in einem ausgewogenen Verhältnis gekräftigt. Der Trainierende muss zunächst keine komplexen Bewegungsabläufe beherrschen, um einen hohen Effekt zu erreichen. Das Zusammenspiel aus zunächst statischen Grundübungen, die im Verlauf in dynamische Übungen übergehen, und den niederfrequenten Impulsen durch Weste und Elektroden, ermöglicht bereits die positiven Effekte des Trainings.

TT-DIGI: Wie wurde dieser neue Ansatz des EMS-Trainings im Sport- und Gesundheitszentrum Umbach umgesetzt?

Florian Weiß: Die Kunden haben für dieses Angebot einen Extra-Vertrag abgeschlossen. EMS-Training ist hier die Basis, weitere Leistungen sind natürlich nicht ausgeschlossen. Der Werbeeffekt mit den positiven Erfahrungen war so groß, dass es direkt 20 Anmeldungen gab.

TT-DIGI: Haben Sie generelle Tipps zur Umsetzung dieses Ansatzes?

Florian Weiß: Für die Umsetzung wäre denkbar, dass ein Zusammenspiel aus Muskelaufbautraining, Ernährungsberatung und einer Ganzkörpergymnastik zur Förderung der Koordination und Mobilität diese Ganzheitlichkeit vereinen würde. Hierzu sollte in der Zukunft ein Konzept entwickelt werden, dass es ermöglicht, EMS-Training als Zusatz zu einer krankenkassengeförderten Maßnahme, wie beispielsweise den Rehabilitationssport mit Schwerpunkt Orthopädie, durchzuführen.

TT-DIGI: Welche Vorteile könnten sich für einen Reha-Kunden durch die Kombination aus „klassischem“ Training oder Rehasport und EMS ergeben?

Florian Weiß: Dieser Ansatz erscheint uns sehr vielversprechend. An dieser Stelle bietet sich eine weitere Studie an.

TT-DIGI: EMS-Training hat noch immer mit gewissen Vorurteilen zu kämpfen. Welche Rolle spielt insofern die Ausbildung der Trainer?

Florian Weiß: EMS-Training ermöglicht ein Training trotz eingeschränkter orthopädischer und kardiologischer Belastbarkeit. Insgesamt erfordert die Trainingsform EMS hohe Qualifikationen der Übungsleiter. Dem Trainierenden muss, sofern noch nicht vorhanden, mithilfe des Trainings zunächst einmal ein eigenes Körpergefühl vermittelt werden, um Belastungen selbst einschätzen zu können. Der Tatsache geschuldet, dass die Belastung neben der Kompetenz des Trainers anhand des subjektiven Belastungsempfindens des Trainierenden gesteuert wird, ist das eigene Körpergefühl in Kombination mit der Fähigkeit, körperliche Belastungen einschätzen zu können, unabdingbar für die Durchführung eines intensiven EMS-Trainings. Der Trainer muss dieses Körpergefühl vermitteln können und die Trainingsparameter speziell an den Trainierenden anpassen.

Eine qualitative Ausbildung des Personals muss die Grundlage sein, um Trainingseinheiten mit EMS anbieten zu können. Die Anforderungen an die Qualifikationen erstrecken sich über ein weites Feld. Grundwissen über die Anatomie des menschlichen Körpers und die ordnungsgemäße Bedienung des Geräts reichen nicht aus. Auf dieser Grundlage müssen die Trainer über Kompetenzen bezüglich des Bewegungscoaching bei den verschiedensten Krankheitsbildern verfügen, was weit über die aktuell geltenden geforderten Qualifikationen an die Trainer hinaus geht. Nur dann kann das Bewegungsprogramm individuell auf die gesundheitlichen Bedürfnisse des Trainierenden abgestimmt werden, sodass positive Trainingseffekte zu verzeichnen sind. Das Training sollte grundsätzlich zunächst auf die relevanten gesundheitlichen Probleme des Trainierenden ausgerichtet sein, nicht auf die Leistungsoptimierung.

TT-DIGI: Welche Rolle sollte EMS-Training perspektivisch aus Ihrer Sicht spielen?

Florian Weiß: Insgesamt sollte das EMS-Training in einem ganzheitlichen Konzept angeboten werden. Die kurze Trainingszeit von 20 Minuten pro Woche sollte für die Zielgruppe der alternden Menschen, sowie für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen nicht als Vorteil im Vordergrund stehen. Es geht vielmehr um andere Aspekte, mit denen sich das EMS-Training und in erster Linie die Anbieter von EMS-Training identifizieren sollten. Wir haben festgestellt, dass die nachfolgende Zielgruppe prädestiniert für EMS ist. Zum einen die Zielgruppe, welche orthopädische, neurologische oder kardiale Beschwerden und Vorerkrankungen aufweist. Es kann ein gelenkschonendes und effektives Muskeltraining durchgeführt werden ohne den Haltungsapparat oder das Herz-Kreislauf-System großartig belasten zu müssen.

Des Weiteren bietet das Training auch die Möglichkeit, sensomotorische Impulse zu geben. Durch gezielte Ansteuerung einzelner Muskelpartie durch den Strom lehrt der Trainierende die Muskulatur selbst zu aktivieren. Dies führt zu einem verbesserten Körpergefühl und in der Folge auch zu Verbesserungen des eigenen Haltungsbildes. Das individuelle und persönliche Muskeltraining ermöglicht es zudem Dysbalancen, welche Fehlhaltungen mit sich bringen, auszugleichen oder deutlich zu verbessern.

Zusammenfassend ist aus meiner Sicht das EMS-Training in erster Linie ein medizinisch-therapeutisches und gesundheitsorientiertes Training. Es bietet für Eisteiger und Menschen mit orthopädischen Vorerkrankungen die Möglichkeit den Körper für weiterführende Trainingsmethoden oder Sportarten vorzubereiten. Somit wäre auch eine Kombination aus konventionellem Krafttraining und EMS-Training denkbar, um einen maximalen Trainingserfolg zu erreichen.

Das Interview führte Philipp Hambloch.

Titelbild: https://www.dba-baunatal.de/


Zur Person

Florian Weiß (22) ist Sportwissenschaftler und hat den ­Studiengang Bewegungscoaching und Gesundheit an der dba Baunatal (www.dba-baunatal.de) mit Auszeichnung absolviert. In seiner Bachelor­arbeit beschäftigte er sich mit dem ­Einfluss von EMS-Training auf die Bein- und Rumpfkraft bei älteren Menschen.


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