Digitalisierung

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20.06.2022

Digital, smart und hilfreich?

Digital, smart und hilfreich?

Wearables im Fokus der Trainingswissenschaft

Seit mehreren Jahren boomt der Markt an digitalen Fitness-Tools wie Smartwatches oder Wearables. Aber wie genau sind deren Werte und wie hilfreich können sie im Trainingsalltag sein? Der Sportwissenschaftler Dr. Peter Düking gibt einen Überblick.

Beginnen möchte ich mit einer kurzen Begriffseinordnung. Wearables sind nicht nur die Smartwatches am Handgelenk, so wie sie heutzutage weit verbreitet sind, sondern auch weitere körpernah getragene Sensorik, die mithilfe verschiedenster Algorithmen bestimmte (Körper-) Parameter aufnehmen, analysieren, in gewissem Maße interpretieren und rückmelden. Dann kann ein Wearable auch die Erscheinung eines „Hearable“ oder eines intelligenten Pflasters (wie wir es heutzutage in der Medizin schon zur kontinuierlichen Aufnahme von Herzparametern sehen) annehmen.

Startpunkt für heutige Wearables war, zumindest für mich, ungefähr der Zeitraum zwischen 2007 und 2010, als das erste iPhone auf den Markt gekommen ist (welches ja auch verschiedenste Parameter wie z.B. Schrittanzahl aufnehmen konnte) und diese Technologie damit für die Masse zugänglich machte. Trotz der verhältnismäßig kurzen Zeit ist die Entwicklung seitdem rasant, die Kennzahlen des Marktes gehen durch die Decke.

Da Sportler vermehrt mit Wearables in Kontakt kommen, stellen sich diese auch immer mehr und mehr Fragen wie z.B.: Wie genau sind die Daten überhaupt? Oder: Wie verbessern Parameter mein Training? Aufgrund der hohen Nachfrage aus der Sportpraxis beschäftigt sich auch die trainingswissenschaftliche Forschung mit diesen Fragestellungen, um als kompetenter Ansprechpartner für Sportler agieren zu können.

Die Anzahl an bereitgestellten Parametern steigt beständig

Die Bandbreite der erhobenen Parameter wird immer größer. Früher konnten Wearables Parameter wie Schrittanzahl oder zurückgelegte Distanz anzeigen, heute zeigen Sie Parameter wie Herzfrequenz, Schlafparameter und sogar die maximale Sauerstoffaufnahme an. Dazu muss man sagen, dass gerade in den Anfangsjahren viele von Wearables angezeigte Parameter nicht vertrauenswürdig (anders gesagt: nicht „genau genug“) waren.

Die Technologie wird aber besser und unter anderem folgende Parameter können derzeit mit gewissen Wearables in bestimmten Situationen vertrauenswürdig erhoben werden:

  • › Bewegungsstatistiken (Strecke, Geschwindigkeit, Höhenmeter etc.)
  • › Herzfrequenz(variabilität) gemessen am Handgelenkt
  • › Maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max)
  • › Schlafdaten (Dauer, Phasen)
  • › Gangparameter
  • › Blutoxygenierung
  • › Bewegungsausführung

Neue Parameter kommen dabei ständig hinzu. Wir sehen jetzt auch schon vereinzelte Wearables, die beispielsweise den Blutdruck kontinuierlich am Handgelenk messen können auf dem Markt. Auch werden in Zukunft wahrscheinlich mehr und mehr Parameter wie Stress oder Wohlbefinden aus der Stimme ableitbar werden. Dieses Feld wächst gerade enorm, denken Sie nur an die ganzen Sprachassistenten verschiedener Firmen um uns herum.

Neben den Möglichkeiten, die uns diese Technologie theoretisch liefert, ist allerdings auch Vorsicht geboten, alleine schon deshalb, da manche Parameter noch nicht vertrauenswürdig erhoben werden können. Natürlich stehen Parameter aber in der Wissenschaft ständig auf dem „Prüfstand“. Die Wissenschaft vergleicht dazu die Werte der Wearables mit jenen aus bereits etablierter und verlässlicher Technologie und Messmethodik. Hier ist auch bei uns am Lehrstuhl für Integrative und experimentelle Trainings- und Bewegungswissenschaft in Würzburg ein Schwerpunkt angesiedelt und wir überprüfen häufig die Genauigkeit verschiedener Wearables.

Erst kürzlich haben wir uns angeschaut, wie gut Smartwatches die maximale Sauerstoffaufnahme am Handgelenk erfassen können - unsere Analysen ergaben einen Fehler von ca. 6 Prozent bei bestimmten Personengruppen. Bei hochtrainierten oder untertrainierten Personen war der Fehler allerdings höher. Eine pauschale Aussage zur Genauigkeit ist daher schwierig, weil die Werte wahrscheinlich auch je nach Gerät unterschiedlich ausfallen. Dennoch waren wir zugegebenermaßen etwas erstaunt über diese Ergebnisse.

Nutzen von Wearables zur Steuerung von Trainingsprozessen

Bei uns am Lehrstuhl für Integrative und experimentelle Trainings- und Bewegungswissenschaft in Würzburg beschäftigen wir uns viel mit der Frage, wann und wie der Einsatz eines Wearables bei der Trainingssteuerung Sinn macht. Hier spielt die Motivation des Nutzers eine gewichtige Rolle: Was ist das konkrete Problem des Athleten und was möchte er verbessern? Möchte der Athlet einfach nur „informiert“ werden oder hat er ggf. ein konkretes Ziel wie beispielsweise die Verbesserung von gezielten Belastungs- und Erholungsphasen? Vom konkreten Ziel sollte dann auch die Wahl des richtigen Wearables abhängen.

Ein Problem derzeitiger Wearables in der Sportpraxis sehen wir häufig darin, dass Wearables dem Sportler gewisse Parameter zur Verfügung stellen, die Interpretation und Kontextualisierung obliegt aber häufig dem Sportler. Die Geräte sind in den meisten Fällen noch nicht „smart“ genug, um eine wirkliche Handlungsempfehlung zu geben. Wer eine Leistungssteigerung anstrebt, muss die Daten häufig selbst auswerten, interpretieren und kontextualisieren, um sein Ziel zu erreichen.

Im Hinblick auf den kompetenten Umgang mit Daten im Rahmen der Trainingssteuerung ist daher auch die Trainer-Ausbildung gefragt. Studiobetreiber, die Wearables möglicherweise auch an ihre Mitglieder verkaufen, sollten digital kompetente Ansprechpartner im Studio haben. Diese können dann Mitglieder bei der Zielerreichung und Dateninterpretation unterstützen. Und zufriedene Mitglieder bleiben dem Studio als Kunden wahrscheinlich eher erhalten.

Dr. Peter Düking


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