Digitalisierung

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02.09.2021

Der Informationsbedarf ist hoch

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Fragen zur Telematikinfrastruktur

Mancher Physiotherapeut steht der Digitalisierung im Gesundheitswesen neugierig bis aufgeschlossen gegenüber, weiß aber oft nur wenig darüber, was im Wesentlichen mit der Telematikinfrastruktur auf die Branche zukommt.

Mit der Telematikinfrastruktur (TI) sollen, vereinfacht gesagt, Daten möglichst aller Berufsgruppen im Gesundheitswesen erfasst werden, um sie digital schnell und unkompliziert allen Beteiligten zur Verfügung stellen zu können – zur besseren Therapieabstimmung zugunsten des Patientenwohls. Zum 1. Juli 2021 können sich Physiotherapeuten freiwillig an dieses digitale Netzwerk anbinden lassen. Wir sprachen mit Markus Dikty, Fachexperte Digitalisierung bei opta data Gruppe, um die eine oder andere Frage zu klären.

TT-DIGI: Herr Dikty, eine Frage wird im Zusammenhang mit der TI immer wieder gestellt: Wie ist die Datensicherheit gewährleistet?

Markus Dikty: Der Sicherheitsaspekt liegt schon der Konzeption der TI und den einzelnen Anwendungen zugrunde. Nicht nur die Hardware, sondern die einzelnen Fachanwendungen werden von der gematik und unter Umständen auch vom Bundesministerium für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) unter Datenschutz rechtlichen Bestimmungen der DSGVO betrachtet. Hardwareentwicklungen dürfen erst nach Prüfung des BSI veröffentlicht werden. Daten, die in der Telematikinfrastruktur sind, sind vom Gesetzgeber her gesichert. Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass auch der Zugang zur Telematik nur über einen speziellen VPN-Zugangsdienst möglich ist. Es sind also mehrere Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden, damit Unberechtigte nicht auf die hinterlegten Daten zugreifen können.

TT-DIGI: Wenn ich mir die TI als Haus mit verschiedenen Zimmern vorstelle, kann ich nur als Berechtigter von Raum zu Raum gehen. Ist das so richtig?

Markus Dikty: Ja im Grunde ist das so. Wenn jeder Raum eine Fachanwendung darstellt, bräuchten Sie sogar noch für jedes einzelne Zimmer einen eigenen Schlüssel. Ich muss mich immer authentifizieren, als Physiotherapeut mit zugelassener Praxis ausweisen, beispielsweise anhand einer sogenannten SMC-BKarte (SmartModulCard vom Typ B).

TT-DIGI: Wo erhalte ich diese Karte?

Markus Dikty: Es gibt in Deutschland eine Handvoll zertifizierter Kartenproduzenten wie beispielsweise die Bundesdruckerei oder medisign. Dort beantragen Sie die Karte. Bevor diese ausgestellt wird, bescheinigt der eGBR – das elektronische Gesundheitsberuferegister – die Berechtigung des Antragstellers. Das eGBR ist quasi der Kartenherausgeber und hat die alleinige Hoheit, die Berufsbestätigung auszusprechen. Hier laufen alle Anträge aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen. Es bedarf hierzu allerdings noch berufsbestätigender Stellen. Das ist beispielsweise das jeweils zuständige Gesundheitsamt, welche die Berufsurkunde des Physiotherapeuten vorliegen hat. Das ist eine weitere eingebaute Sicherheitsschleife.

TT-DIGI: Welche Technik brauche ich für die TI-Anbindung in der Praxis?

Markus Dikty: Wir wollen es den Therapeuten so einfach wie möglich machen. Wir richten die Technik gar nicht in der Praxis ein, sondern wir haben die sogenannten Konnektoren im Rechenzentrum der opta data. Wir stellen dann eine gesicherte Leitung zur jeweiligen Praxis her. Um den Praxisablauf so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, installieren wir nur das Kartenlesegerät in der Einrichtung und führen eine Anbindung der TI an die Branchensoftware durch.

TT-DIGI: Welcher Nutzen ist für eine Praxis damit konkret verbunden?

Markus Dikty: Es gibt einige Mehrwerte, zum Beispiel: KIM – Kommunikation im Medizinwesen. Das ist ein E-Mail-Client in der Telematikinfrastruktur. Es können gesichert E-Mails versendet werden, beispielsweise für Rückfragen an den behandelnden Arzt, wenn Sie Befundberichte anfordern wollen. Diese E-Mails werden wirklich signiert, das heißt, es wird digital unterschrieben, sodass ich mir sicher sein kann, dass der Unterzeichnende das E-Mail versandt hat. Ein Riesenmehrwert für Therapeuten ist die ePatientenakte (ePA). Der Patient kann seinem Physiotherapeuten Zugriff auf die ePA gewähren, mit allen Befundberichten und Röntgenbildern. Im Idealfall hat der Behandler vor dem ersten Patientenbesuch schon alle Arztbriefe gelesen und sich die Bilder angesehen, sodass er vor dem ersten Termin bereits sehr viel über den Patienten weiß. Entsprechend spart er sich wertvolle Zeit, die er für eine ausführliche Anamnese aufbringen müsste.

TT-DIGI: Erleichtert die TI auch die Verwaltungsarbeit?

Markus Dikty: Im ersten Schritt sieht das für den Praxisinhaber anders aus, da es neue Prozesse gibt und er umdenken muss. Aber wenn sich das einmal eingespielt hat, dann ermöglicht es einen schnelleren und leichteren Zugriff auf Patientendaten. So fällt beispielsweise auch das Nachtelefonieren weg, wenn Informationen fehlen sollten.

TT-DIGI: Sie haben für die verschiedenen Berufsgruppen der Heilmittelerbringer Pilotprojekte laufen. Wie sieht das aus?

Markus Dikty: Mit der Einführung der Telematikinfrastruktur wird sich viel in der Praxis ändern. Die Prozesse wollen wir zusammen mit den Knowhow-Trägern, also mit den Praxisinhabern, gestalten. Sie wissen, was läuft und was zu verbessern wäre. Sie müssen noch nicht einmal an die TI angeschlossen sein oder Kunde sein. Unser Ziel ist es, die Ergebnisse der gematik zur Verfügung zu stellen, weil auch sie einen großen Bedarf an praktischer Expertise haben. Eine Teilnahme ist jederzeit möglich.

TT-DIGI: Physiotherapeuten können sich seit 1. Juli dieses Jahres freiwillig anbinden lassen. Warum sollte ich mich heute schon damit auseinandersetzen, obwohl es erst ab 2027 verpflichtend sein wird?

Markus Dikty: Ja, im Heilmittelbereich haben wir noch Zeit, jedoch sind ePA und KIM-Dienst bereits jetzt zu nutzen. Wir haben tatsächlich auch Anfragen erhalten, aber eine flächendeckende Ausgabe der SMC-B ist erst für Ende des Jahres geplant. 

Das Interview führte Reinhild Karasek


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