Therapie

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20.10.2023

Wenn die Schulter schmerzt

Wenn die Schulter schmerzt

Schulterverletzungen, Teil 2: Das Impingement-Syndrom

Arm bewegen, Heben, Tragen, Abstützen, Ziehen, Lasten schleppen, Sport machen, Werfen, Fangen… die Funktionen und Einsatzmöglichkeiten der Schultergelenke sind vielfältig. Die dabei auftretenden Belastungen können unter bestimmten Bedingungen auch ungünstige Veränderungen anstoßen und damit Schmerzen verursachen.

Die Sehnen der Schulter reagieren auf Mikroverletzungen, ungünstige Dauerbelastung und pro-entzündliche Gewebesituation mit einer gereizten und irritierten Gesamtsituation.

Lokaler Schmerz und Bewegungseinschränkungen

Auf Dauer verändern sich so auch die bindegewebigen Anteile auf Zellebene und nicht selten entsteht eine Einklemmungserscheinung unter dem Schulterdach. Das Schulterdach besteht aus dem Acromion, einem nach vorne reichenden Teil des Schulterblattes, das den Oberarmkopf überragt. Unter diesem knöchernen Vorsprung, im sog. subacromialen Raum, verlaufen Sehnen der Rotatorenmanschette.

Treten die beschriebenen Veränderungen an der Sehne auf, verdickt sich diese und engt den Raum zwischen Schulterdach und Oberarmkopf zusätzlich stark ein. Treten bei vorhandener Einengung des subacromialen Raumes Symptome wie lokaler Schmerz und Bewegungseinschränkungen auf, spricht man vom sogenannten „Impingement-Syndrom“. Also einem unangenehmen „Einklemmungsproblem“ der Sehnen im subacromialen Raum, das auch lange anhalten kann und Betroffene beruflich und in der Freizeitgestaltung stark einschränken kann.

Wie ein Impingement entsteht

Der Einengung des „subacromialen Raumes“, also dem Bereich zwischen dem Oberarmkopf und dem Acromion gehen häufig strukturelle Veränderungen voraus. Diese können die knöchernen Strukturen des Schulterdaches oder den Oberarmkopf betreffen. Auch ein Hochstand des Oberarmkopfes kann den darüber liegenden Raum verkleinern.

Durch dauerhaft einseitige Bewegungsgewohnheiten oder auch durch berufliche Belastungen (z.B. viele „Über-Kopf-Arbeiten“) kann es auch zu Veränderungen der Sehnen kommen. Diese bestehen oft in kleinen Verletzungen mit nachfolgender Entzündung und daraus resultierender Verdickung der betroffenen Sehnenbereiche.

Bevor sich die Sehne oder der Schleimbeutel verändern, sodass sie mit dem Anschwellen das Einklemmen verursachen, stehen meist wiederkehrende Verletzungen. Diese Mikrotraumen können auch durch sportliche Belastungen entstehen. Die meisten Betroffenen können dem ersten akuten Schmerz auch eine bestimmte Aktivität zuordnen. Die Sehnen der Schultergelenke können auch durch ungünstige Körperhaltungen, wie z.B. eingesunkene Sitzhaltung am Schreibtisch, dauerhaft komprimiert werden. Dabei drückt der Oberarmkopf permanent auf die Sehnen und den Schleimbeutel. In dieser Haltung und Position treten an den Sehnen ungewohnte Belastungen auf, die das Gewebe auf Dauer schädigen und verändern können.

Auch durch ungewohnte Belastungen wie z.B. dem Streichen der Zimmerdecke oder dem jährlichen Hecken schneiden, kann es zu diesen Veränderungen kommen. An diesen Stellen kommt es zu einem enormen Elastizitätsverlust der Sehnen und der Gelenkkapsel. Diese Veränderungen ebnen dann auch Mikroverletzungen den Weg.

Teil dieses Belastungsdilemmas sind nachfolgend häufig chronische Entzündungszustände, die die Sehne und/ oder den Schleimbeutel ungünstig anschwellen lassen. Diese chronische Verdickung führt letztlich zu der gefürchteten mechanischen Kompression und der schmerzhaften Einklemmung im Schultergelenk bei manchen Bewegungen.

An einem klassischen Impingement Syndrom leiden in Deutschland jährlich etwa 10-12% der Bevölkerung. Unter einem klassischen Impingement der Schulter versteht man einfach die Einklemmung der Sehne oder des Schleimbeutels bei bestimmten Bewegungen des Armes. Dies betrifft meist das seitliche Abspreizen des Armes (Abduktionsbewegungen in der Schulter) und manchmal auch das frontale Anheben (Flexion des Schultergelenkes).

Die Sehne des Supraspinatusmuskels durchquert in ihrem Verlauf eine knöcherne Mulde zwischen dem Schulterdach und dem Oberarmkopf. Dort liegt auch ein Schleimbeutel (Bursa subacromialis) zwischengelagert, als zusätzliche Schutzeinrichtung für die Sehne. Dieser schützt die Sehne vor starkem Druck und Reibung bei allen Bewegungen des Armes.

Steht nun der Oberarmkopf im Gelenk zu weit nach oben, oder ist die Sehne oder der Schleimbeutel gereizt, entzündet und geschwollen, kommt es bei einem Impingement der Schulter zu einer mechanischen Einklemmungsproblematik. Dabei werden die Supraspinatussehne oder der Schleimbeutel vom Oberarmkopf so stark gegen das Acromion (Schulterdach) gedrückt und eingeklemmt, dass auch sehr starke Schmerzen ausgelöst werden können.

Die typischen Symptome

Charakteristisch ist der akut auftretende Bewegungsschmerz bei abspreizenden Bewegungen des Armes oder dem Anheben des Armes nach vorne. Auch ist häufig noch eine schmerzhafte Innenrotation des Schultergelenkes zu finden.

Die typische Erscheinung des Bewegungsschmerzes nach außen besteht in einem sogenannten schmerzhaften Bogen, dem „painful arc“. Die dabei auftretenden Schmerzen beginnen etwa ab einer Abduktion von 60° und können sich bis 120° Abduktion sogar noch steigern. Über diesem Bewegungsweg (120°) lassen die Schmerzen meist wieder nach. Ein Ruheschmerz kommt bei einer Entzündung des Gewebes noch hinzu.

Besonders Schmerz provozierend ist das Liegen auf der betroffenen Seite – was in einem akuten Zustand auch gerne Schlafstörungen verursachen kann. Bedingt durch die Schonung kommt es gerne auch zu Elastizitätsverlusten und einer gesteigerten Steifigkeit der betroffenen Sehnen und der gesamten Gelenkkapsel. Ein Abbau der Muskelkraft kann bei längerer Schonzeit (Schmerz-Vermeidungs-Verhalten) auch zu einem Stabilitätsverlust im Schultergelenk führen und weitere Funktionsstörungen auslösen.

Impingement typische Veränderungen:

  • ››› Schwellung im subacromialen Raum (Schleimbeutel oder Supraspinatussehne)
  • ››› Mikrotrauma & resultierende Entzündung
  • ››› Einklemmungserscheinungen bei bestimmten Bewegungen Folgen:
  • ››› schmerzhafte Bewegungseinschränkung („Schmerzhafter Bogen“ / painful arc)
  • ››› Schonhaltung und Vermeidungsverhalten

Therapie und Training

Bewegung ist in vielen medizinischen Leitlinien eine „first line“ Empfehlung und auch hier das primäre Mittel der Wahl für nachhaltige Schmerzlinderung und eine stabile Schultergesundheit. Zunächst ist die Verbesserung der schmerzhaften und nur noch eingeschränkt möglichen Bewegungsrichtungen anzuvisieren. Dazu eignen sich sehr früh in der Erkrankung sogenannte Pendelübungen mit hängendem Arm. Diese erweitern den subacromialen Raum, bringen mehr Platz und Entlastung für die eingeklemmte Struktur und verhelfen zu ersten schmerzreduzierten normalen Bewegungserfahrungen.

Moderate Bewegungserweiterung im schmerzfreien Bereich ermöglichen nachfolgend auch wieder vermehrte funktionelle Aktivitäten. Eine Kühlung der schmerzhaften Stellen an der Schulter hat schmerzlindernde und Stoffwechsel aktivierende Effekte und ist somit förderlich für eine effektive Regeneration.

Auch ein moderates Kräftigungsprogramm trägt zur aktiven Regeneration bei und verhilft den Strukturen im weiteren Verlauf zu einer höheren Belastbarkeit. Das senkt auf Dauer die Anfälligkeit für erneute Störungen oder Verletzungen. Ein Kräftigungstraining kann an speziellen Geräten oder auch einfach Zuhause mit Hanteln, TheraBand, Blackroll oder anderen Hilfsmitteln durchgeführt werden.

Kay Bartrow


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Bild: ©Shutterstock.com_2175035941


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