Therapie
17.05.2023
Therapeutisches Vorgehen und Maßnahmen
Beckenboden-Training, Teil 2
Die Beckenbodenmuskulatur zu trainieren erfordert grundsätzlich kein unterschiedliches Training von Männern und Frauen, denn die Anatomie der tiefen Beckenbodenmuskulatur ist ähnlich aufgebaut. Trotzdem bedarf es ganz individueller Trainingspläne und vor allem Hausaufgaben!
Die Palette der Therapie zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur reicht von gymnastischen Übungen bis hin zum Gerätetraining oder auch Reha-Sport. Die Übungseinheiten haben Alltagssituationen im Blick – wie Treppensteigen, Aufstehen und Hinsetzen, Heben und Tragen –, weshalb sie sich entsprechend individuell nach dem Bedarf des Patienten richten.
Gymnastische Übungen und Training in der Praxis
So setzt Tobias Platz in seiner Privatpraxis in München Trampolin, Seilzug, Pezziball und Kirschkernkissen ein. Die Fachtherapeutinnen von Mediana trainieren an Geräten, speziell an einem Pelvictrainer mit Biofeedback. Andre Fuchs, Physiotherapeut und Geschäftsführer von Medical Concept in Rheinland-Pfalz, ergänzt dieses Angebot mit der Feldenkrais-Methode in Verbindung mit Atemtherapie.
Die Atmung ist ein wichtiger Aspekt im Training. „Mit jedem Einatmen erhöht sich der Druck auf den Beckenboden. Diesen gilt es zu kontrollieren“, erklärt Kay Bartrow.
Hausaufgaben für Zuhause – klassisch in Papierform oder digital
Entscheidend für den Therapieerfolg sind Hausaufgaben. „Sie appellieren an die Selbstverantwortung für das Training“, so Sabine Schneider, Physiotherapeutin in der Praxis von Markus Neumann in Schöneck-Büdesheim. Sie stellt die Hausaufgaben für die Patienten individuell zusammen und gibt sie ihnen in Papierform mit.
Ebenso betont Andre Fuchs die Relevanz der Hausaufgaben, die dann in der Therapie-Einrichtung wiederholt und korrigiert werden. Wiederholung Zuhause, Korrektur in der Praxis, das sind Aspekte, die zum Erfolg des Trainings beitragen.
So berichtet Kay Bartrow: „Die Übungen werden in der Therapie permanent kontrolliert, erweitert und ergänzt. Durch die Kontrolle werden sie auch umgesetzt. Denn wenn Patienten Übungen nicht machen, fällt das sofort in der nächsten Therapiesitzung auf. Die Patienten werden darauf aufmerksam gemacht, dass die aktiven Übungen den größten und wichtigsten Part der Therapie darstellen. Mit Kontrolle und angemessener Aufklärung gelingt es meist, die Patienten zu motivieren und die Wichtigkeit von Eigenaktivität klarzustellen.“
Tobias Platz fordert die eigene Aktivität bereits während der Therapiestunde ein: „Ich lasse die Betroffenen Mitschriften führen.“ In seiner Privatpraxis kann er zudem viel intensiver auf die Übungen für Zuhause eingehen: „Eine Behandlungseinheit ist bei mir eine gute Stunde. Ich gehe mit den Patienten zusammen alle Aspekte des Beckenbodentrainings inklusive der Hausaufgaben durch. Im Anschluss gibt es eine Hochenergieinduktionstherapie (Magnetfeld) für die Verbesserung der intra- und intermuskulären Koordination der Beckenbodenmuskeln.“
Intensive Betreuung – Gewinn für die Praxis
Das individuelle Training, das Ausarbeiten von Hausaufgaben erscheint auf den ersten Blick zeit- und personalintensiv. Doch daraus kann sich für die Praxis durchaus ein Mehrwert generieren.
Andre Fuchs, der in seiner therapeutischen Einrichtung eine Medizinische Trainingstherapie anbietet: „Einige dieser Patienten können wir über den Reha-Sport auch für unser Angebot im medizinischen Trainingsbereich gewinnen.“
Ein Gerätetraining kann das therapeutische Angebot parallel zur Behandlung sogar komplettieren, wie Kay Bartrow darstellt: „Wir bieten allen Patienten die Möglichkeit, während sie eine Verordnung bei uns haben und sie in Therapie sind, die Trainingstherapie zu nutzen. Die Geräte werden – je nach Indikation und Sinnhaftigkeit – instruiert und dann können die Patienten diese entweder vor der Behandlung oder danach selbsttätig nutzen.“
Digitales Beckenbodentraining
Der Einsatz digitaler Tools ist parallel zur klassischen Therapie durchaus sinnvoll. Tobias Platz setzt beispielsweise ganz gezielt das Smartphone der Patienten für die Hausaufgaben ein: „Wir machen mit den Smartphones der Patienten Bilder und Videos.“
Auf ein Beckenbodentraining mit dem Smartphone setzt der mobile Beckenbodentrainer der FREI AG. „Über eine App auf dem Smartphone ist ganz deutlich ein Biofeedback sehen, ob man den Beckenboden richtig anspannt, und vor allem entspannt“, so Dominik Egetemeir, Leitung Vertrieb Deutschland. Der Vorteil des 2019 auf der Medica vorgestellten mobilen Beckenbodentrainers liegt darin, dass Therapeuten ihn zu Hausbesuchen mitnehmen können. Er kann auch von Betroffenen ausgeliehen werden, sodass sie ohne Intimkontakt Zuhause ihren Beckenboden trainieren können.
Inzwischen gibt es bereits von Medizinern und Physiotherapeuten entwickelte App-Lösungen, wie Pelvintense, ein digital gestütztes Beckenbodentraining speziell für Männer. Die App „Emy“ richtet sich hingegen an Frauen zur Unterstützung des Beckenbodentrainings.
Doch es geht nichts über die Therapie beim Physiotherapeuten, so die vorwiegende Meinung der Ärzteschaft, denn die Kontinuität der Übungen sowie die Ausübungskontrolle ist nun mal ausschlaggebend für den Therapieerfolg.
Reinhild Karasek
Bilder: ©shutterstock.com_320182349, ©shutterstock.com_144970966
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