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26.06.2023

Ohne Ausbildungsstandards wird die Fitnessbranche nicht ernstgenommen!

Ohne Ausbildungsstandards wird die Fitnessbranche nicht ernstgenommen!

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Ein Einwurf vom „Fitnessprofessor“ Prof. Dr. Stephan Geisler

Die Fitnessbranche kämpft für mehr Anerkennung als Gesundheitsdienstleister und mehr Gehör für die durch Studien belegten, gesundheitsfördernden Effekte eines Trainings. Leider verbinden noch immer zu viele Menschen die Fitnessbranche mit „Muckibuden“ oder einer Freizeitbeschäftigung wie dem Kinobesuch. Aus Sicht von Prof. Dr. Stephan Geisler liegt das u.a. auch an fehlenden Standards bei der Trainerausbildung.

Ich plädiere für Standards aufgrund der demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft. Es gibt immer mehr ältere und kranke Menschen, die glücklicherweise auch ins FitnessStudio kommen. In dieser Situation reicht das Wissen um die korrekte Übungsausführung an einer Brustpresse nicht aus, sondern es braucht auch ein wenig medizinisches Know-how und ich muss wissen, wie ich mit wem im Studio umgehen kann.

Anforderungen bei Prävention & Rehasport

Wer einen genauen Blick auf die verschiedenen Leistungen im ersten Gesundheitsmarkt wirft, wird dort durchaus Anforderungen an die Trainerausbildung finden.

Aus meiner Sicht wurde hier aber etwas verwechselt. Im Bereich der Prävention hat man es als Anbieter von §20-Kursen überwiegend mit gesunden Menschen zu tun. Die Anforderungen dafür sind jedoch recht hoch und verursachen einen großen Aufwand. Vor allem im Vergleich mit Rehasport. In diesem Segment reichen – salopp gesagt – ein paar Wochenendausbildungen, um mit kranken oder frisch genesenen Menschen Sport zu machen.

Für Standards und eine Regulierung der Ausbildungsträger

Ich stelle mir Standards mit Inhalten vor, was in einer Grundausbildung, in einer Fortgeschrittenenausbildung drin sein muss. Da geht es aber nicht nur um Inhalte, sondern auch die Frage, wer welche Zertifikate oder Lizenzen vergeben darf. Auch das muss aus meiner Sicht reguliert sein. Wir haben spätestens durch die Pandemie gelernt, dass auch online einige Inhalte gut vermittelt werden können. Aber Training braucht auch Präsenz, ein Anfassen, ein Ausprobieren. Daher bin ich kein Freund reiner Online-Trainerausbildungen.

Andere Länder als Vorbilder?

Die NSCA hat vor über 40 Jahren zunächst in den USA und später weltweit einen Standard erschaffen. Wer beispielsweise Athletiktrainer werden will im Profibereich, der muss diesen Standard erfüllen.

Es muss keine 1:1-Umsetzung für Deutschland sein, aber ein ähnliches Modell stelle ich mir für uns vor. Zielführend wären Standards, an die man sich halten kann und wo jeder mitspielen darf, sofern er sich an die Regeln hält. Auch von den europäischen Nachbarn kann Deutschland durchaus etwas lernen. Frankreich hat Trainerstandards vor mehreren Jahren mehr oder weniger gesetzlich bestimmt, die Schweiz hat es über die Kostenträger, also die Krankenkassen, geregelt.

Fachkräftemangel & Branchenumsatz

Standards würden auch einen positiven Effekt auf den Fachkräftemangel haben. Denn gut ausgebildete Trainer werden in meiner Vorstellung auch vernünftig und ordentlich bezahlt. In der Folge steigen mit Sicherheit auch die Motivation und Arbeitsleistung. Und das sollte sich doch in der Fitnessbranche umsetzen lassen.

Warum es bisher noch keine Ausbildungs-Standards in der Branche gibt, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich konnte man sich noch nicht auf eine Lösung einigen, zudem fehlt ein übergeordnetes Gremium, das Bestimmungen festlegen könnte. Und leider sind wir der Politik aufgrund der im Vergleich eher bescheidenen Wirtschaftskraft relativ egal. Allein der Konzern Henkel machte mit 22,4 Mrd. € im vergangenen Jahr viermal mehr Umsatz als die gesamte Fitnessbranche (2022: 4,9 Mrd. €).

Mühsamer Dialog mit der Politik

Es waren schon verschiedenste Vertreter der Fitnessbranche bei der Politik, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. Ich selbst war auch schon mehrmals in Berlin und habe mit Abgeordneten gesprochen und versucht zu sensibilisieren für das Thema. Ich glaube, in der Politik ist das Thema noch nicht so wirklich angekommen – weder der volks- und gesundheitliche Nutzen des Fitnesstrainings und der gesamten Fitnessbranche noch die teilweise mangelnden Standards und Qualifikation in dieser Branche. Das eine können wir nur durchsetzen, wenn wir das andere zurechtrücken.

Wenn es weiterhin keine Standards gibt, bleibt es, wie es ist und die Branche wird nicht ernstgenommen von den Kostenträgern, Krankenkassen und der Politik etc. Wir müssen also abliefern!

Prof. Dr. Stephan Geisler

 

Bild: Fotolia.com_25900730


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