Ernährung & Gesundheit

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05.12.2024

Mit Langsamkeit gegen den Stress

Mit Langsamkeit gegen den Stress

Entspannung für mehr Lebensqualität

Ob jung oder alt, gesund oder krank – Qigong geht immer. Das sagt Sonja Hupfer, Qi Gong-Lehrerin aus Bayern. Sie gibt Qi Gong-Kurse in einem Fitness-Studio nahe München. Wie passen Qigong und Fitness-Training zusammen?

Sonja Hupfer kam nach einer schwereren Verletzung zum Qigong. Medizinisch wurde ihr zu einer OP geraten und der Verzicht auf Sport nahegelegt. Beides kam für die junge sportliche Frau überhaupt nicht infrage. In dieser Situation lernte die heute ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie/Tanz- und Ausdruckstherapie sowie Qi Gong-Lehrerin, selbst das Qigong kennen. Und diese Bewegungsform tat ihr gut.

Sonja Hupfer sagt: „Es ging mir besser, ohne benennen zu können, warum. Das fand ich spannend, bin dabei geblieben und es wurde fester Bestandteil meiner täglichen Bewegungs- und Meditationspraxis. Auf einmal spürte ich die Energie.“

Von der Wirkung des Qi Gongs ist sie aus eigener Erfahrung überzeugt und mittlerweile unterstützen wissenschaftliche Studien die positive Wirkung von Qigong auf die Lebensqualität. Ein Grund mehr, dies in einem Gesundheitsstudio anzubieten – so wie Sonja Hupfer, die Qi Gong-Kurse in einem Fitness-Studio in Bayern gibt. TT-DIGI hat sich mit ihr unterhalten.

TT-DIGI: Fitness-Training und Qigong – widerspricht sich das nicht?

Sonja Hupfer: Eigentlich nicht, für mich passt das sehr gut zusammen. Denn für mich ist Fitness eine gesunde Mischung aus Aktivität, Geschehen lassen und Bewusstsein. Qigong ist nur gar nicht physisch anstrengend, weshalb es jeder machen kann. Manchmal ist es sogar das einzig Machbare! Qigong geht immer – für jeden Menschen.

Wie sieht die Kursstruktur bei Ihnen aus? 

Ich gebe den Kurs 1x in der Woche, vormittags für 45 Minuten. Die Teilnehmer wechseln, im Durchschnitt sind es ca. 10 Teilnehmer. Die Treuesten kommen aus dem Wirbelsäulen-Kurs, den ich davor anbiete. Meist sind es jung gebliebene, ältere Menschen, die erst die körperlich etwas anspruchsvolleren Übungen des Wirbelsäulen-Kurses schätzen und dann den Fokus auf die sanften Übergänge, auf Entspannung und Atmung legen wollen.

Woher kommen die Teilnehmer?

Es ist ein offener Kurs, der sich langsam aufbaut. Jederzeit kann man ohne Anmeldung einsteigen. Es gibt im Fitness-Studio neben der festen Mitgliedschaft auch 10er-Karten, sodass sowohl Mitglieder den Kurs besuchen können, als auch Menschen, die ausschließlich für den Qi Gong-Kurs ins Studio kommen. Für einige ist es ein Wieder-Einstieg zurück in ein aktives Leben nach einem Klinikaufenthalt z.B. in einer Schmerzklinik, wo sie Qigong kennenlernten, andere nehmen teil, weil es ihnen empfohlen wurde oder weil sie einfach neugierig sind. Es ist komplett gemischt und Männer wie Frauen sind gleichermaßen vertreten. Wer es mal ausprobiert hat, kommt meist wieder.

Für wen ist Qigong?

Qigong ist für jeden, der es aushält, langsam zu sein. Es ist sinnvoll zu lernen, auch mal langsam zu sein. Unser größtes Gesundheitsrisiko ist Stress. Es sterben immer noch die meisten Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ein großer Faktor ist hier der Stress. Und Qigong ist alles, was entspannt, alles, was einen beruhigt, was einen spüren lässt, wo man zu viel Energie lässt.

Wo lassen wir beispielsweise zu viel Energie?

Manchmal sehe ich Trainierende am Gerät und denke, na ja, die Anspannung des Kiefermuskels hilft dir nun nicht, den Bizeps zu trainieren. Das sind unbewusste Grundanspannungen, die den Menschen gar nicht mehr auffallen, weil sie es so gewohnt sind. Und natürlich lassen wir auch viel Energie in Gedankenspiralen. Sich der eigenen mentalen Muster bewusst zu werden und diese zu wandeln kann eine große Erleichterung sein.

Und wie hilft da Qigong?

Qi Gong bewirkt, dass einem z.B. ein zu viel an Körperanspannung auffällt und man dadurch dagegen steuern kann. Im Kurs thematisiere ich das einfach immer wieder und wiederhole es wie ein Mantra. Ich streue Wörter ein, die schon Entspannung in sich tragen, und kombiniere das mit tiefer Atmung. Das hat einen riesigen Effekt. Beim Qi Gong werden die Menschen verführt, langsam zu sein, und das tut vielen Menschen sehr, sehr gut.

Was bringt diese Langsamkeit?

Die Menschen werden durch die physisch langsame Übungsausführung auch innerlich langsamer. Die Konzentration auf die Langsamkeit spricht das parasympathische Nervensystem an, ruft eine tiefere Form des Bewusstseins hervor. Es geht bei dieser Art des Trainings nicht darum, möglichst viel Kraft aufzuwenden, das Geheimnis ist eher: Wie kann ich mich mit möglichst wenig Kraft und größtmöglicher Leichtigkeit bewegen? Wie viel Kraft ist nötig, welche Energie ist überflüssig?

Je weniger Kraft aufgewendet wird, desto mehr spürt man die Energie dann auch wirklich fließen. Im Qi Gong geht es im Wesentlichen um den Aufbau von Energie, von Lebensenergie und die Kunst, diese Energie bewusst dort hinleiten zu können, wo man sie braucht. Und das kommt so im Alltag nicht wirklich vor. Die Menschen spüren das unmittelbar nach dem Kurs, oft ohne zu wissen, warum.

Stichwort Alltag – in welcher Weise wirkt Qi Gong nach?

Beispielsweise kann sich die tiefere Atmung im Alltag integrieren. Es geht ja darum, dass man etwas in den Alltag mitnimmt und nicht nur um die wenigen Minuten im Kurs. So wie sich ein Muskel noch nach der Trainingseinheit aufbaut, so ist es auch beim Qi Gong. Es werden Blockaden aus Energiebahnen gelöst, was sich dann beispielsweise als Leichtigkeit oder Schmerzfreiheit im Alltag niederschlägt. Das ist das wirkliche Geschenk, dass es sich auf den Alltag auswirkt.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Bei den meisten Menschen ist die Nacken- und Schulterpartie verspannt. Mein Mantra im Kurs lautet: „Lass die Schultern sanft sinken“. Wenn man entsprechend oft darauf hingewiesen wird, öffnet sich dann der Muskel. Die Kursteilnehmer gehen danach heim und denken: „Huch, es ist auf einmal anders.“ Das wird mir öfter berichtet. Ein weiteres Beispiel ist eine sehr regelmäßige Teilnehmerin, der eine schwere Operation bevorstand, die dreimal verschoben werden musste. Sie berichtete mir später, dass sie sich meine Stimme in Erinnerung gerufen hat, wie ich immer wieder wiederhole „Tief einatmen und vollständig ausatmen“. Das hat ihr geholfen, ruhig und gelassen zu bleiben. Den Menschen geht es besser, das wird mir immer wieder zurückgemeldet.

Was ist das Besondere im Vergleich zu Pilates oder Yoga?

Beim Pilates geht es um Sport, um Training zur Stärkung der Muskulatur und der korrekten Körperhaltung. Die Ausrichtung ist keine energetische, sondern eine rein physische. Yoga ist dem Qi Gong vom Fokus, was es erreichen möchte, sehr ähnlich. Aber im Westen wird es oft anders praktiziert. Yoga ist bei uns eher körperbetont und deshalb nicht für jeden geeignet. Es gibt Menschen, die dazu physisch nicht in der Lage sind. Qi Gong kannst du auch auf einem Stuhl sitzend ausführen, wenn das lange Stehen schwerfällt.

Die körperliche Herausforderung ist beim Qigong so minimal, dass es wirklich jeder machen kann. Und trotzdem oder gerade deshalb hilft es gegen Verspannungen aller Art. Das spürt man deutlich, weil man die Übung so langsam und lange aus - führt. Es ist wichtig, auch immer mal wieder verbale Impulse zu erhalten: Was macht dein Atem? Das hilft einem, sich selbst bewusster zu werden. Mental ist uns alles sehr schnell klar, aber Qi Gong hilft, sich tatsächlich zu spüren und das Vertrauen in die eigene Intuition wiederzuerlangen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Reinhild Karasek


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