Therapie

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16.05.2022

Die aktive Strategie ist die beste Wahl

Die aktive Strategie ist die beste Wahl

Krankheitsbild Arthrose

Gelenkbelastungen werden als Maßnahme bei Arthrose oft falsch beurteilt. Wir gehen deshalb der Frage nach, warum in der Regel Muskelbelastungen positiv und Gelenkbelastungen negativ eingeschätzt werden. Dabei räumen wir mit so manchen nicht zutreffenden Glaubenssätzen auf!

Während bei einer Belastung des Gelenks häufig zur Reduktion und Vorsicht geraten wird, werden Muskelbelastungen gemeinhin als positiver Reiz eingestuft und für ein gesundes Wachstum und zur Leistungssteigerung gerne empfohlen. Muskelreize gelten mittlerweile als erprobte und bekannte Trainingsgrößen. Der Knorpel kann jedoch durch ein kontrolliertes und graduell gesteigertes Training konditioniert werden.

Der Gelenkknorpel ernährt sich über Diffusion, also dem Wechselspiel zwischen Druck und Zug. Demzufolge ist er von Bewegung und Belastung abhängig. Ein gesunder Knorpel ist in gewichttragenden Gelenkregionen deutlich dicker und der Glykosaminoglykangehalt – zuständig für die Schmierfunktion der Gelenkflüssigkeit – ist bei körperlich aktiven Menschen signifikant höher als bei inaktiven.

Sogar bei Sportlern mit großem Laufumfang zeigen sich diese Unterschiede in der Zusammensetzung der Gelenkflüssigkeit im Vergleich zu Freizeitläufern mit geringerem Laufpensum. Daraus kann geschlossen werden, dass kontrollierte Gelenkbelastungen sehr wohl für eine gesunde Anpassung der Funktionsfähigkeit von Gelenkflüssigkeit als auch des Gelenkknorpels sinnvoll und wichtig sind. Der Knorpel ist trainierbar – er reagiert auf Trainings- und Belastungsreize.

Ohne Schmierung läuft nichts

Der menschliche Organismus ist ein perfekter „Selbstschmierer“. Unser Körper produziert Schmiermittel für alle Gelegenheiten und sorgt so dafür, dass Sehnen, Bindegewebe, Faszien, Organe und Muskeln bei Bewegungen bestens übereinander gleiten können. Ohne sie wären ein Augenschluss, Bewegungen und selbst Sex nicht wirklich angenehm.

Eine hohe Konzentration an entzündungsrelevanten Stoffen im Organismus reduziert die Menge und die Qualität der körpereigenen Schmierstoffe. Die Schmierung von Gelenken und Körpergewebe wird durch Bewegung wieder besser. Mit ausreichend Aktivität kann der Körper auch ein Reservoir an Gleitmitteln in den Gelenken und Faszien aufbauen: Jede Bewegung zählt.

Lauftraining hat chondroprotektive, also Knorpel schützende Effekte

Bereits ein 30-Minuten-Lauf reduziert die Konzentration sogenannter proinflammatorischer Zytokine – wie beispielsweise Interleukin-1 oder TNF (Tumor-Nekrose-Faktor) – und hilft dabei, einen bestimmten Marker für den Knorpelstoffwechsel, das COMP (COMP: cartilage oligometric matrix protein), aus dem Gelenkraum zu transportieren. Klinisch betrachtet gibt es keinen signifikanten Unterschied zwischen einem hohen und einem geringen Aktivitätsgrad in Bezug auf die Knorpelausdünnung in der Knorpelzone (Arthrose).

In Studien wurde das Arthroserisiko von Nichtläufern (10,23%) mit dem von Wettkampfläufern (13,3%) verglichen. Bei diesen beiden Gruppen ist der ermittelte Unterschied nicht wirklich groß. Bemerkenswert ist der Wert für die Gruppe der Freizeitläufer, der sich mit 3,5% deutlich von den anderen beiden Gruppen (hoher gegen geringen Aktivitätsgrad) abhebt. Somit kann einer moderaten und individuell angepassten Laufleistung tatsächlich Knorpel schützende Effekte zugesprochen werden.

Kommunikation – Ratschläge und Aufklärung, ihre psychogene Wirkung und kognitive Verstärkung

Vor allem die Art und Weise, wie wir über Erkrankungen oder Gesundheitsstörungen reden, welche Ratschläge wir Betroffenen/Patienten mit auf den Weg geben, bestimmt die Art und Weise, wie diese darüber denken. Gedanken werden zu Glaubenssätzen und zu Überzeugungen. Sind diese überwiegend negativ geprägt oder zeigen vermeintlich aussichtslose Situationen auf, ergeben sich für die Betroffenen wenig Handlungsspielräume für positive Einstellungen. Der Gedanke prägt demnach die Handlung und steuert so auch unweigerlich die Prognose mit. Folgende Aussagen sollten strikt vermieden werden, um keine falschen Bilder in den Köpfen entstehen zu lassen:

››› Stoppen Sie Ihr Training, wenn es wehtut. Therapeutisch gesprochen: Schmerzen bei moderaten bis intensiven Übungen sind normal und legen sich mit zunehmendem Trainingszustand. Sie können kontrolliert überwacht werden, um stärker werdende Beschwerden und Einschränkungen im Alltag zu verhindern.

››› Bei Ihrem Gelenk reibt schon Knochen auf Knochen – da kann man nichts mehr machen. Therapeutisch gesprochen: Training ist bei Menschen mit starken Schmerzen und degenerativer Arthrose gesundheitlich wichtig und wirksam. Wir brauchen positive und motivierende Formulierungen zur Aktivität. Der Körper hat hohe regenerative Kräfte, die durch Bewegung aktiviert und stimuliert werden können.

››› Mit Ihrem Gelenk können Sie die Dinge, die Sie früher getan haben, nicht mehr machen. Therapeutisch gesprochen: Gelenke werden von Belastung und Bewegung ernährt. Dies ist auf Dauer die einzige vernünftige und Erfolg versprechende Herangehensweise. Belastungen mit dem Körpergewicht oder Walking halten Gelenke gesund. Der Körper wird sich anpassen und die Leistungsfähigkeiten kontinuierlich erweitern. Manchmal braucht es einfach etwas Geduld.

››› Krafttraining verschleißt Ihre Gelenke. Therapeutisch gesprochen: Ein kontrolliertes und geplantes Training steigert aufbauende (anabole) Prozesse, hat Stoffwechsel steigernde Effekte und ist hochgradig gesundheitswirksam. Nur mit kräftigen Muskeln können Gelenke dauerhaft geschützt werden.

Bleiben solche Aussagen kommentarlos im Raum stehen, prägen sie bereits ein negatives Bild von Hilflosigkeit und schicksalhafter Ergebenheit in die Situation mit Gelenkschmerz, Funktionseinschränkung und Verlust an Lebensqualität. Nur wenn diese Statements entsprechend kommentiert und entkräftet werden, kann sich daraus eine hilfreiche und effektive Therapie- und Trainingssituation entwickeln.

Das Ziel muss sein: Vom therapiebedürftigen Patienten zum trainingswilligen Patienten kommen.

Kay Bartrow

Bildnachweis: ©Shutterstock.com_1096124330_Alex Mit


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