Therapie
19.09.2024
Diagnose Spondylarthrose
Die Wirbelsäule & Physiotherapie, TEIL 2
Arthrotische Veränderungen gehören bereits zu den spezifischen Rückenschmerzen. Wie an jedem anderen Gelenk unseres Bewegungsapparates, kann auch ein Gelenk der Wirbelsäule von arthrotischen Veränderungen betroffen sein und in der Folge vielleicht symptomhaft werden. Kay Bartrow erklärt, dass Arthrose nicht nur auf Degeneration und Verschleiß zurückzuführen ist und zeigt nach einer Erläuterung der Symptome und Beschwerden seinen Therapieansatz auf.
Von der Wortbedeutung her, hat der Begriff Arthrose zwei Teile: zum einen „Arthro“, was von Arthron kommt und so viel wie Gelenk bedeutet. Zum anderen steckt die Endung „ose“ mit drin. Diese bedeutet „anderer Zustand“. Also handelt es sich bei einer Arthrose um ein Gelenk, dass sich in einem anderen Zustand befindet, als es erwartet wurde oder es sind Unterschiede im Vergleich zur anatomischen Norm zu finden.
Große Streubreite an Symptomen
Aber den normierten Körper, den Knochen oder das Gelenk nach einem anatomischen Atlas, gibt es nicht. Anatomie und die individuellen Veränderungen durch das Leben und den täglichen Gebrauch sind variabel und zeigen keinen großen Zusammenhang zu klinischen Symptomen wie Schmerz oder Bewegungseinschränkung. Bei Menschen mit Arthrose gibt es eine sehr große Streubreite der Erscheinungen: es gibt Menschen mit einer deutlich ausgeprägten Arthrose und geringen bis gar keinen Symptomen – und es gibt Menschen mit einer minimalen Arthrose und vergleichsweise sehr starken Symptomen.
Arthrose als Anpassungsprozess
In neueren Studien konnte aufgezeigt werden, dass Veränderungen, wie sie bei Arthrose anzutreffen sind, vielmehr mit dem Lebensalter, dem Lebensstil und den täglichen Belastungen zusammenhängen, als mit tatsächlichen Schmerzen und Symptomen. So betrachtet, wird aus den arthrotischen Veränderungen der Wirbelsäule (und an jedem anderen Gelenk) ein normaler Prozess der Anpassung an Belastungen und Gebrauchsgewohnheiten. Bis hierher also kein Grund zur Besorgnis. Denn wenn es sich lediglich um Anpassungsprozesse handelt, können diese mit entsprechenden Veränderungen des Lebensstils und der Bewegungsgewohnheiten, auch wieder in eine positive Richtung beeinflusst werden. Mit den strukturellen Veränderungen (reduzierte Knorpelmasse, veränderte Gelenk stellung etc.) in diesem Prozess kann unser Organismus eigentlich noch ganz gut umgehen und diese Veränderungen bedeuten noch nicht sofort, dass auch Symptome folgen müssen.
Wenn die Arthrose zum echten Problem wird
Wenn eine Arthrose also eine normale Sache ist, ab wann wird sie dann zum echten gesundheitlichen Problem? Bei einer aktivierten Arthrose handelt es sich um eine geringgradige kontinuierliche Entzündungsreaktion der Gelenkoberfläche. Ein proinflammatorisch eingestelltes Immunsystem kann die zum Zwecke der Selbstschmierung erforderlichen Stoffwechselprozesse nicht mehr auf höchster Qualitätsstufe aufrecht halten. So ergeben sich ungünstige Versorgungsengpässe bei den synovialen Schmierstoffen im Gelenk.
Die noch produzierten Stoffe weisen in der Folge eine geringere Qualität auf, was entzündliche Situationen befeuert. So ergibt sich ein klinischer Teufelskreis, der mit unzureichender Gelenkschmierung, resultierender dauerhafter Entzündung, einem gesteigerten Schmerzniveau und resultierender Steifigkeit und Mobilitätseinschränkung einhergeht.
Verstärkungsfaktoren
Zu diesen ungünstigen Veränderungen auf körperlicher Ebene, gibt es aufgrund von unzureichendem Wissen noch sogenannte kognitive Verstärkungsfaktoren. Dazu gehören gelernte Hilflosigkeit und Resignation (oder die Eigenschaft, sich mutlos in das scheinbare Schicksal zu ergeben), die häufig durch Aussagen wie: „Bei ihnen reibt Knochen auf Knochen. Sie können nichts tun!“ zusätzlich etabliert werden. Auch eine Katastrophisierungsneigung und ungünstige Überzeugungen verstärken die Entwicklung von Arthrose.
Einschränkungen und Schmerzen
Die klassischen Beschwerden bei arthrotischer Wirbelsäule bestehen in eingeschränkter Beweglichkeit, einem vorübergehenden Dauerschmerz, der meist bei kontinuierlicher Bewegung nachlässt und einer sich einschleichenden Bewegungssteifigkeit im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt. Oft treten diese Symptome nach unkontrollierter Belastung und längeren monotonen Körperhaltungen (z.B. langes einseitiges Stehen oder Sitzen ohne Variabilität) verstärkt auf. Eine Bewegungseinschränkung kann prinzipiell in jeder Richtung auftreten, die die Wirbelsäule aktiv zu kontrollieren vermag. Also: Beugung nach vorne (Flexion), Beugung nach hinten (Extension), Drehung nach rechts oder links (Rotation) oder die Seit - neigung nach rechts oder links (Lateralflexion).
Bewegung und Training werden empfohlen
In nahezu allen nationalen und internationalen medizinischen Leitlinien zur Behandlung von Wirbelsäulenarthrose kommen neben einer Aufklärung des Patienten, physikalischen und medikamentösen Maßnahmen vor allem Bewegungs- und Trainingsmaßnahmen zum Einsatz. Bewegung und Training sind dabei sogenannte „First-Line-Empfehlungen“, die in keinem Therapiekonzept fehlen dürfen, das Anspruch auf Nachhaltigkeit erhebt.
Therapieansatz individuell gestalten
Das gesamte Therapiemanagement ist bestenfalls symptomorientiert und findet individuelle Lösungs - strategien für die Bedürfnisse des Einzelnen. Je nach individueller Betroffenheit werden Schulungs- und Trainingsmaßnahmen für die betroffenen Lebensbereiche erarbeitet. Konkret bedeutet dies: sind bei manchen Betroffenen vor allem die häuslichen Arbeiten (Staubsaugen, Wäsche machen, Putzen oder Einkaufen) problematisch, muss ein angepasstes Therapie- und Trainings - konzept diese Defizite aufgreifen und Lösungen ermöglichen. Ist hingegen die Belastbarkeit im beruflichen oder auch im sportlichen Kontext problematisch, müssen explizit dafür geeignete Konzepte erarbeitet werden. Hängen Betroffene in ungünstigen Glaubenssätzen oder Überzeugungen fest, so sind vor allem individuelle Aufklärungen (Edukation von Wissen, evtl. aktuelle Studien oder medizinische Leitlinienempfehlungen), die Befürchtungen und Ängste des Betroffenen betreffend erforderlich.
Aktive Maßnahmen sind erfolgsversprechend
Die Pfeiler einer erfolgreichen und vor allem nachhaltigen Therapie bestehen vor allem aus aktiven Maßnahmen wie z.B. Krafttraining, Mobilitätstraining, Verbesserung der Ausdauerfähigkeiten, Optimierung von Körperwahrnehmung (bzw. Bewegungsgefühl) und in einer Verbesserung der motorischen Kontrolle. Je variabler diese im Hinblick auf beherrschbare Bewegungsvarianz wird, desto sicherer sind die Betroffenen vor erneuten Rückenschmerzen.
Kay Bartrow
Bild: ©shutterstock.com_2429395223
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