Ernährung & Gesundheit
08.07.2024
Das unterschätzte Superorgan
Die Rolle des Darms für die Gesundheit
In dieser Ausgabe möchte Dr. Dr. Homayum Gharavi Ihnen die Rolle des Darms im Gefüge Ihrer Gesundheit erläutern, denn die Aufgaben dieses Superorgans sind weitaus umfangreicher, als vielen Menschen bewusst ist. Er bildet den Anfang unseres Stoffwechsels. Alle Organe sind von ihm abhängig.
Ob Bluthochdruck, Schlafstörung, Schilddrüsenfehlfunktion, hohe Cholesterinwerte, Übergewicht oder Diabetes – sie stellen in unserer Gesellschaft allesamt leider völlig normal gewordene Zustände dar. Denn sobald Medikamente den Leidensdruck nehmen können, werden Krankheiten nicht mehr als solche wahrgenommen.
Krankheit als Fehlfunktion des Körpers
Aber können wir dann von einer Heilung sprechen? Gewiss nicht, denn Heilung bedeutet, dass ein Zustand der Gesundheit wiederhergestellt wird, dass die Organe wieder funktionieren. Gesundheit und Funktion sind also synonym. Wenn alle Organe funktionieren, sind wir gesund. Was als Krankheit bezeichnet wird, muss als Fehlfunktion betrachtet werden, die Unwohlsein erzeugt. Im Englischen gibt es den treffenden Begriff Disease, was genauer betrachtet DysEase = gestörte Leichtigkeit bedeutet. Diese Störung, die zu Unwohlsein führt, ist gewissermaßen ein Alarmsystem der Natur und entsteht, wenn Organe nicht mehr reibungslos funktionieren.
Die Rolle der Medikamente
Medikamente stellen die Organfunktion selten wieder her. Sie nehmen lediglich den Leidensdruck, ersticken so das Alarmsystem, sodass die Fehlfunktion weiter existieren kann, wie z.B. die ‘Zuckerspritze’ für den Diabetiker oder Cholesterinsenker bei hohem Blutcholesterinspiegel, die allesamt nur die Diagnostik in den Normbereich schieben. Sie mögen in der Lage sein, Folgeerkrankungen aufzuschieben, jedoch ändern sie nichts an der Grund - störung des Systems. Wenn Sie auf Medikamente angewiesen sind, um sich gesund zu fühlen, sind Sie längst nicht gesund.
Der Darm als Superorgan
Der Darm ist mehr als nur ein Verdauungsorgan. Als Tunnel durch unseren Körper vom Mund bis zum Auspuff, bietet er Nährstoffen die Möglichkeit in unsere Blutbahn aufgenommen zu werden. Es handelt sich um Stoffe, aus denen der Körper seine Lebensenergie zieht. Da unsere Nahrung selten in natürlicher Form in den Tunnel gerät, muss der Körper – ähnlich wie ein Türsteher – prüfen, filtern und selektieren. 70% unseres Immunsystems sitzt in der Darmwand. Eine strategisch wichtige Position, denn hier wird der Grundstein für die Stoff - wechselvorgänge aller Organe im Körper gelegt. Hier beginnt das Leben.
Die Darmwand
Hierzu ein näherer Blick auf die Darmwand, die von innen mit einer einschichtigen Tapete ausgekleidet ist. Diese besteht aus Zellen, die als Trennwand zwischen Darminhalt und Blutbahn dicht an dicht gereiht sind. Sie sind durch eine Art Reißverschluss miteinander verbunden, damit keine unverdauten Nahrungsmoleküle in die Blutbahn gelangen. Dieser Reißverschluss wird Tight Junction (dichte Verbindung) genannt und kann durch Störfaktoren, wie Gluten in den Speisen, durch Vitaminmangel im Blut, aber auch durch chronische seelische Belastung beschädigt werden (zum Beispiel bei Kindern, die eine Erwartungshaltung ihrer Eltern nicht zu erfüllen imstande sind/waren).
Zonulin-Wert
So ein Schaden ließe sich durch die Bestimmung des Zonulins in Stuhl und Blut nachweisen. Es ist nie ein isolierter Faktor verantwortlich, aber die Verbesserung eines Faktors kann helfen, den Gesamtzustand merklich positiv zu beeinflussen. Bei erhöhten Zonulin-Werten sprechen wir vom Leaky Gut [lieki gatt], was übersetzt „durchlässiger Darm“ bedeutet. Blähungen, Durchfall oder Verstopfung sind Alarmzeichen auf schädliche Bestandteile, die die Darmwand reizen. So kann auch Gluten, enthalten u.a. in Brot, Pizza, Pasta, Croissants aus Weizen, Roggen, Vollkorn, Dinkel, die Darmschleimhaut soweit schädigen, dass unverdaute Nahrungsmoleküle in den Blutkreislauf gelangen.
Das Immunsystem produziert daraufhin Antikörper, die nicht nur die eingedrungenen unverdauten Moleküle (Fremdkörper) angreifen, sondern leider auch Strukturen unseres eigenen Körpers, deren Oberfläche Ähnlichkeit mit den Nahrungsproteinen hat. Der Weg für Autoimmunkrankheiten wie z.B. Rheuma, Diabetes Typ 1, Haarausfall, Schuppenflechte oder Schilddrüsenerkrankungen ist geebnet.
Das Mikrobiom
Der Darm bietet aber außerdem auch Lebensraum für geschätzte 39 Billionen Lebewesen, was eine uns völlig abstrakte Zahl vom Millionen-fachen der Milliarde (39 mit 18 Nullen) darstellt. Es besteht aus Bakterien, Viren, Pilzen und anderen Lebewesen, die allesamt – man mag es kaum glauben – unser Überleben sichern. Dieses Mikrobiom ernährt sich von dem, was wir essen, und stellt daraus Stoffe her, die die Funktionen unserer Organe sicherstellen, um Hormone, Vitamine und lebenswichtige Proteine zu produzieren. Es ist nachvollziehbar, dass wir mit unserer Ernährung ihre Lebensbedingungen im Darm mit beeinflussen.
Eine pflanzlich basierte und glutenfreie Ernährung hilft der Vielfalt des Mikrobioms. Je vielfältiger das Mikrobiom, umso besser für unsere Gesundheit. Schmerzmittel, Säureblocker, Antibiotika, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker, aber auch Stress und Unausgeglichenheit stören den Lebensraum Darm. Ein gesundes Darmmikrobiom ist die Voraussetzung für die Gesundheit aller unserer Organe.
Gestörte Darmfunktion
Der erste Hinweis für eine gestörte Darmfunktion ist, wenn am Klopapier etwas hängenbleibt. Haustierbesitzer laufen oft besorgt zum Tierarzt, wenn ihr tierischer Weggefährte keinen sauberen Abwurf hat, reagieren aber mit Desinteresse, wenn dem menschlichen Lebenspartner das gleiche widerfährt. Beim Wischen sollte das Papier so sauber bleiben, dass man es fast schon wieder für den nächsten zurückhängen könnte. Aus der Beobachtung der Natur lässt sich feststellen, dass die gesündesten Systeme, also jene die funktionieren, stets einer Interdependenz unterliegen: Das Abfallprodukt des einen dient als Lebensgrundlage eines anderen Systems. Pflanzen atmen Sauerstoff als Stoffwechselabfallprodukt ab, was für uns lebensnotwendige Frischluft liefert. Tiere und Menschen verstoffwechseln den Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid (CO2), was den Pflanzen zum Überleben dient. Wir würden in CO2 genauso ersticken, wie die Pflanzen in reinem Sauerstoff. Früchte sind ebenfalls Abfallprodukte wie unsere Fäkalien. Sie dienen dem korrespondierenden System als überlebenswichtige Nahrungsquelle.
Fleisch hingegen ist kein Abfallprodukt des Rindes. Es erfüllt also nicht die Regeln der Natur und ist wahrscheinlich (oder offensichtlich) nicht hilfreich für eine ungestörte Funktion unseres Körpers. Jetzt möchte ich Euch bitten, sich folgendes vorzustellen: Alle unsere Organe funktionieren einwandfrei und ohne jede Störung. Lasst uns nun ein beliebiges Organ, sagen wir die Leber, aus dem Organverbund entfernen. So dürfte jedem klar sein, dass alle anderen Organe früher oder später ebenfalls ihre Funktion aufgeben würden. Der Tod des Gesamtsystems wäre die Folge. Dies ließe sich mit jedem anderen Organ durchspielen.
Fazit: Der Mix aus Ernährung und Training macht den Unterschied
Zurück in der Realität entfernen wir natürlich keine ganzen Organe, stören jedoch durch unsere Lebens- und Ernährungsweise mehr oder minder stark die Funktion einzelner Organe, also Untersysteme wie Verdauungs-, Bewegungs-, Nervensystem, etc. Einleuchtend, dass somit auch die Funktion der anderen Untersysteme darunter leiden würden. Daher ist eine gluten- und zuckerfreie sowie vegane Lebensweise für einen perfekten Darm, der so alle Organe ihrer natürlichen Funktion entsprechend bedienen könnte, ohne Beweglichkeit und Kraft nur die halbe Miete. Ohne moderate Bewegung und Belastung wären wir ebenfalls anfällig gegenüber Erkrankungen. Weitere Informationen zum Thema Ernährung und Gesundheit, erhalten Sie hier.
Dr. Dr. Homayun Gharavi
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