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19.10.2023

Besser atmen durch die Nase

Besser atmen durch die Nase

Atmung als Schlüssel für Entspannung und Regeneration

Die Atmung ist ein essentieller physiologischer Prozess, der oft als selbstverständlich betrachtet wird und dem in der Vergangenheit in der Fitness- und Gesundheitsbranche häufig wenig Beachtung geschenkt wurde. In den vorigen Jahren rückte das Thema jedoch immer mehr in den Fokus, denn eine zielgerichtete Atmung kann eine bemerkenswerte Wirkung nicht nur auf die Gesundheit und das Wohlbefinden, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit haben. Zusätzlich ist sie ein maßgeblicher Faktor für Regeneration und Entspannung.

Atmung ist ein komplexes Zusammenspiel von Muskeln, Atemwegen und dem Nervensystem. Bei jedem Atemzug gelangt Sauerstoff über die Atemwege in die Lunge, wo er in das Blut übergeht und zu den Zellen transportiert wird. Gleichzeitig wird Kohlendioxid (CO2), ein äußerst wichtiges Stoffwechselprodukt, aus dem Körper entfernt.

Ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Sauerstoff und Kohlendioxid ist essenziell für eine optimale Funktion des Organismus. Kohlendioxid erleichtert die Freisetzung von Sauerstoff aus den roten Blutkörperchen und sorgt somit für eine bessere Sauerstoffversorgung. Dies ist auch als Bohr-Effekt bekannt. Das Zwerchfell, ein wichtiges Muskelgewebe, unterstützt die Lunge bei der Ein- und Ausatmung und ist bei jedem Atemzug aktiv. Bei der Einatmung zieht sich das Zwerchfell zusammen und drückt sich nach unten in Richtung Bauchraum. Bei der Ausatmung hingegen entspannt sich das Zwerchfell und zieht nach oben Richtung Brustkorb.

Atmung unter Stress

Bei einer flachen Atmung, die vornehmlich im Brustkorb stattfindet und wie sie häufig unter Stress vorkommt, ist das Zwerchfell permanent unter Spannung und bewegt sich kaum. Dieses unphysiologische Atemmuster vermindert häufig die Leistungsfähigkeit und wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Es kommt zu einem verringerten Gasaustausch was zu einer schlechteren Energieversorgung von Muskulatur und Gehirn führt, und wiederum zusätzlichen Stress auslöst. Als Kompensationsmechanismus kommt es zu einer Überbelastung der Atemhilfsmuskulatur in Brust und Rücken, die Spannungen und Verkrampfungen in diesen Bereichen auslösen kann.

Vorteile der Nasenatmung

Im Idealfall haben wir im Ruhezustand eine Nasenatmung oder eine Kombination aus Naseneinatmung und Ausatmung durch den Mund. Die Nasengänge sind enger als der Mund, was den Luftstrom verlangsamt und den Sauerstoffaustausch in den Lungen optimiert. Dies ermöglicht eine effizientere Sauerstoffaufnahme, fördert eine bessere Sauerstoffversorgung des Körpers und kann dazu beitragen, Stress abzubauen.

Erfolgt die Atmung ausschließlich durch den Mund, begünstigt dies eine Hyperventilation, die wiederum zu einer erhöhten Cortisol-Ausschüttung führt. Diese wirkt sich auf Dauer negativ auf uns aus, da zu viel Cortisol uns in einen permanenten Zustand der Anspannung versetzt.

Der Nasenatmung kommt nicht nur daher eine hohe Bedeutung für Entspannung zu, sondern diese geht mit weiteren Vorteilen einher. Die Nase reinigt, filtert, befeuchtet und erwärmt die eingeatmete Luft, bevor sie in die Lunge gelangt. Dies ist wichtig, um die empfindlichen Schleimhäute der Atemwege vor Austrocknung zu schützen, Reizungen zu verhindern und reduziert das Risiko von Atemwegsproblemen und Allergien.

Zusätzlich wird in der Nasenschleimhaut das Molekül Stickstoffmonoxid (NO) produziert. Stickstoffmonoxid unterstützt die Erweiterung der Blutgefäße, verbessert die Durchblutung, und reguliert den Blutdruck. Eine bessere Durchblutung kann dazu beitragen, Muskelverspannungen zu lösen und ein Gefühl der Entspannung im Körper zu fördern.

Atmung und Nervensystem

Besonders hervorzuheben ist die Verbindung zwischen Atmung und dem Nervensystem, denn Atmung hat einen direkten Einfluss auf das Nervensystem. Das Atmen durch die Nase stimuliert das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung und Erholung verantwortlich ist. Es signalisiert dem Körper, in den sogenannten „Ruhe-undVerdauungsmodus“ zu wechseln. Dies kann den Herzschlag verlangsamen, den Blutdruck senken und eine allgemeine Entspannung fördern.

Der bewusste Wechsel auf Nasenatmung fordert und fördert Achtsamkeit trägt dazu bei, den Geist zu beruhigen. Um die Nasenatmung auch nachts zu unterstützen, wenn keine bewusste Atemkontrolle möglich ist, kann zum Beispiel ein Sleeptape Hilfestellung leisten.

Insgesamt unterstützt Nasenatmung die Gesundheit der Atemwege, fördert eine bessere Sauerstoffversorgung und kann dazu beitragen, den Körper aus dem angespannten „Kampf-oder-Flucht“-Modus herauszubringen und Stress, Angst und Spannungen abzubauen.

Gezielte Atemübungen zur Entspannung

1. Bauchatmung

Eine einfache Atembewusstseinsübung, die den Vagusnerv als Teil des parasympathischen Systems anregt und so die Regeneration fördert, ist die Bauchatmung. Eine bewusste und tief in den Bauchraum gehende Atmung sorgt zudem für die bereits erwähnte physiologische Bewegung des Zwerchfells.

Die Übung kann im Liegen oder Sitzen durchgeführt werden. Eine Hand wird auf dem Brustkorb und eine Hand oberhalb des Bauchnabels auf dem Bauch platziert. Bei Bedarf können die Augen geschlossen werden, um sich besser auf die Atmung konzentrieren zu können. Die Atmung erfolgt durch die Nase.

Bei der Einatmung wird die Luft bewusst in den Bauchraum gelenkt, wobei sich die Bauchdecke leicht anhebt und gegen die Hand drückt. Der Brustkorb und die obere Hand bleiben ruhig und unbeweglich. Mit der Ausatmung wird die Bauchdecke wieder flach und geht nach Innen. Der Druck gegen die Hand lässt nach. Ziel ist es, dieses Atemmuster für 5 bis 10 Atemzüge beizubehalten. Die Übung kann mehrfach pro Tag durchgeführt werden. Das Tragen eines Bauchgurtes kann ein besseres Bewusstsein für die Bauchatmung unterstützen.

2. Verlängerte Ausatmung

Diese Atemübung trainiert die Atemmuskulatur, sorgt für eine Erhöhung der CO2-Konzentration und trägt zusätzlich zu einer Aktivierung des Parasympathikus bei. Über die Ausatmung werden Neuronen des Vagusnervs, die mit dem Herzen in Verbindung stehen, aktiviert. Eine Verlangsamung des Herzschlages und sofortige Entspannung sind das Resultat.

Hierzu wird ein Verhältnis zwischen Ein- und Ausatmung von 2 : 4 gewählt. Das bedeutet, der Fokus liegt auf der Ausatmung. Diese Atemkontrolltechnik kann in verschiedenen Situationen angewendet werden. Es ist ratsam, diese zuerst in Ruhe zu üben und später mit etwas Übung auch beim Gehen oder jeder anderen Tätigkeit durchzuführen. Als Zeiteinheit bietet sich der Sekundentakt an oder beim Gehen auch das Schritttempo. Zwei Schritte einatmen, vier Schritte ausatmen. Die Übung kann ein bis zweimal täglich für mehrere Minuten durchgeführt werden. Wichtig ist langsam zu starten und bei ggf. aufkommender Luftnot eine Pause einzulegen.

Ein Relaxator kann als Trainingsgerät eingesetzt werden, das die Durchführung der verlängerten Ausatmung unterstützt. Mit diesem Atemtrainingsgerät erhöhen Sie den Luftwiderstand, gegen den Sie ausatmen. Dies intensiviert die Beanspruchung der Atemmuskulatur und verlängert automatisch die Ausatemzeit. Der Atemwiderstand lässt sich stufenlos und individuell einstellen und an den jeweiligen Trainingszustand anpassen.

Atmung & Ganzheitlichkeit

In Anbetracht der engen Verbindung zwischen Atmung, Wohlbefinden und Entspannung wird deutlich, dass die bewusste und zielgerichtete Atmung ein unverzichtbares Instrument für eine ganzheitliche Gesundheitsförderung ist. Therapeuten und Trainer können durch dieses Wissen und ihre Anleitung zur korrekten Atmung dazu beitragen, dass ihre Klienten Spannungen abbauen, Stress reduzieren und die Erholung beschleunigen.

Andreas Könings


Das Buch zum Thema

Dieses Thema und weitere spannende NeuroAnsätze finden Sie auch im Buch ‚Schmerz ist Kopfsache: Mit neurozentrierten Übungen Beschwerden in den Gelenken, im Verdauungstrakt und chronische Schmerzen selbst behandeln‘ von Lisa und Andreas Könings, das am 12. Dezember im riva Verlag erscheinen wird.


 

Bilder 2 und 3: Nils Schwarz

Titel-Bild: ©Shutterstock.com_427789492


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